Kommentar: Abschiebung nirgends
■ Warum für die Behörde
Ein Mensch verletzt sich selbst mit einem Küchenmesser. Weil ihn die Vorstellung, abgeschoben zu werden, mehr ängstigt als der Tod. Weil er seelisch krank ist. Noch kränker aber ist ein System, dessen Exekutive die Gefahr eines Selbstmordes in Kauf nimmt, um einen Ausländer weniger in Deutschland zu haben.
Denn das Drama um Grigor W. hätte gestern auch anders ausgehen können: Er hätte sterben können. An der Rechtfertigung der Ausländerbehörde hätte das vermutlich nicht viel geändert. Weil für sie der unteilbare Grundwert „menschliches Leben“ teilbar ist. Das ist die Maxime, die hinter all diesen Abschiebungen steht: Die Roma-Mutter mit dem kranken Baby, der traumatisierte Kurde, der suizidgefährdete armenische Familienvater: Ihre Krankheit, ihre Schmerzen, ihre Leben zählen nicht so viel wie die eines Deutschen.
Es ist genau dieselbe Maxime, die Abschiebungen überhaupt gesellschaftlich ermöglicht. Auf deren Akzeptanz sich die Behörde stützen kann: Sie findet Ärzte, die sie unterstützen, die Scharfmacher-Parteien finden Wähler... Und auf der anderen Seite versuchen Einzelpersonen, kleine Institutionen oder auch mal ein Abgeordneter, zu retten, was zu retten ist.
Die Exzesse der Behörde zwingen einem dabei immer wieder die Themen auf: Abschiebung trotz Krankheit. Trotz Ausbildung. Trotz Kindern. Entsprechend fallen die Forderungen aus: Keine Abschiebung von Kranken, keine Abschiebungen wenn... Aber? Kein Aber: Keine Abschiebungen – nirgends. Heike Dierbach
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