: Halbwegs begründetes Prinzip Hoffnung
Die tatsächlichen Wirkungen der Steuerreform hängen davon ab, wie sie finanziert wird
Berlin (taz) – Die Steuerreform hat viele Freunde gefunden, seit Bundesfinanzminister Hans Eichel den Referentenentwurf vorgelegt hat. Eine Börsenhausse jagt die andere, die Prognosen sind günstig wie lange nicht mehr.
Ob und wie nachhaltig die Reform den Erwartungen aber gerecht werden kann, hängt wesentlich davon ab, wie sie finanziert wird. Immerhin wird Eichel ab dem Jahr 2005, wenn alle Schritte umgesetzt sind, rund 73 Milliarden Mark weniger an Steuern einnehmen. Zur Gegenfinanzierung fest eingeplant hat er bisher lediglich 24,2 Milliarden Mark, die durch Einschränkungen bei den Abschreibungen für bewegliche Wirtschaftsgüter, Betriebsgebäude, bei Sonder- und Ansparabschreibungen sowie durch die Senkung der „Beteiligungsgrenze für wesentliche Beteiligungen“ von 10 auf 1 Prozent zusammenkommen sollen.
Strittig ist eine weitere potenzielle Einnahmequelle: die Umstellung der Dividendenbesteuerung vom Anrechnungs- auf das Halbeinkünfteverfahren (siehe Kasten). Das Deutsche Aktieninstitut (DAI) bezweifelt, dass die eingeplanten 4,98 Milliarden Mark Mehreinnahmen zustande kommen. Nach seinen Berechnungen zahlen zwar Steuerpflichtige mit einem Steuersatz von weniger als 40 Prozent – 85 Prozent der Dividendenempfänger – künftig drauf. Dafür profitieren aber die 15 Prozent mit einem Bruttoeinkommen von mehr als 150.000 Mark. Und weil diese den weitaus größten Teil aller Dividenden abschöpfen, so das DAI, sei eher mit Steuerausfällen zu rechnen.
Alles in allem muss Eichel ab 2005 also mindestens 44 Milliarden Mark zusätzlich auftreiben. Ein Teil des Geldes soll über den Verkauf von Staatseigentum hereinkommen. Zur Disposition stehen vor allem die Eisenbahnerwohnungen, die mindestens für 7,1 Milliarden Mark – das war das letzte Angebot – gut sein sollten.
Für die Zukunft setzt der Bundesfinanzminister auf den Selbstfinanzierungseffekt: Schließlich soll die Steuerreform sowohl die Nachfrage als auch die Investitionstätigkeit ankurbeln, so das Wirtschaftswachstum vergrößern und mehr Steuereinnahmen bringen. In seinem Jahreswirtschaftsbericht rechnet Eichel schon für das laufende Jahr damit, dass allein die Vorfreude das Wirtschaftswachstum um 0,5 Prozent anhebt. Immerhin 30 bis 40 Prozent der Nettoentlastung, schätzt Dieter Teichmann, Konjunkturexperte des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin, könnten auf diese Weise wieder hereinkommen. Das wären zwischen 12 und 18 Millarden Mark.
Wie hoch der Effekt tatsächlich wird, wird von den Begleitumständen bestimmt. Werden Staatsausgaben wie öffentliche Investitionen, Staatsverbrauch und Transferzahlungen, also etwa Kindergeld und Sozialhilfe, gekürzt, um Steuerentlastungen zu finanzieren, könnte eine Reform sogar kontraproduktiv sein. In diesem Fall fielen die Investitionen „bei geringerer Nachfrage und vergleichsweise geringeren Gewinnen deutlich niedriger aus als in einer Situation ohne Steuerreform“, heißt es in einer Studie aus dem Jahr 1997, in der das DIW verschiedene Szenarien durchgerechnet hat.
Eine Kreditaufnahme, wie sie das DIW vorschlägt, jedoch passt Eichel auch nicht in den Plan, der „jeder weiteren Runde bei der Staatsverschuldung“ eine klare Absage erteilt hat. Was bleibt also? Die Grünen sind für „Sparen an der richtigen Stelle“. Haushaltsexperte Oswald Metzer schlägt vor, umweltschädliche Subventionen zu streichen und damit auf einen Schlag 45 Milliarden Mark weniger auszugeben. Das dürfte angesichts der Lobbyistenfront aus Bergleuten, Bauern und Autofreunden aber kaum durchsetzbar sein.
Wirtschaftsvertreter und Opposition sähen den schwarzen Peter lieber bei den Beschäftigten. CDU-Finanzexperte Friedrich Merz will ABM- und Fortbildungsprogramme insbesondere für Jugendliche einschränken und Zuschläge für Sonntags-, Feiertags- und Nachtarbeit besteuern. Auch beim BDI hieß es, „alle Steuerpflichtigen, die von der Absenkung der Tarife profitieren, müssen in die Finanzierung einbezogen werden“. Beate Willms
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