piwik no script img

Biermetropolenfernsehen

Dortmund, Düsseldorf und Köln wollen privates Regional-TV für Nordrhein-Westfalen machen. Ob das gut geht? ■ Von Martin Peters

In Nordrhein-Westfalen ist Lokalfernsehen (noch) verboten. Beim 10. Rundfunkänderungsgesetz des Bindestrichlandes wird sich das in diesem Sommer ändern. Solange wollten mächtige Möchtegernmedienmacher der westfälischen Bier- und Borussenmetropole Dortmund nicht warten: Und weil das Regio-TV aus der Mediendiaspora gleich im Doppelpack kommt, lässt sich auch das Rheinland nicht lumpen: So wie Köln und Düsseldorf gegen die Dortmunder Pilsmacht nicht nur ihrem jeweiligen Eigenbräu die Stange halten, steigen sie auch ins landesweite Lokal-TV ein. Und bei der Namensfindung zeigen sich alle vier Kanditaten ähnlich kreativ: „nrw 1“, „NRW-TV“, „TV NRW“ und „NWtv“ sind keineswegs nur Arbeitstitel.

„nrw 1“ ist ein Unternehmen der stadteigenen Dortmunder Stadtwerke und des technischen Dienstleisters Studio Dortmund, hinter dem der Bauunternehmer Engelbert Heitkamp steht. „NWtv“ (ebenfalls Dortmund) gehört einer MediaConsult GmbH – Besitzer: Sabine-Christiansen-Ehemann Theo Baltz und der in Berlin beheimatete fränkische Unternehmensberater Klaus Mohr.

Solch aufmüpfiger Aufruhr aus dem „Herz der Sozialdemokratie“ (Willy Brandt über Dortmund) in der ansonsten seit Jahrzehnten wohlgeordneten Medienlandschaft NRW brachte die Zeitungsverleger in Zugwang: Sollten sie nun etwa tatenlos aus ihren Werbefürstentümern dem Treiben eines branchenfremden Baumultis und der Nicht-NRWler aus Berlin zuschauen? Oder die multimedialen Aktivitäten auch auf den TV-Bereich ausdehnen? – Die Düsseldorfer Rheinische Post jedenfalls stellte über ihre mit dem Bonner General-Anzeiger betriebene Medientochter Deutsche Fernsehnachrichten-Agentur (DFA) prompt den Lizenzantrag für „NRW-TV“. Diese Düsseldorfer Attacke wiederum wollte der Zeitungsmonopolist aus dem traditionell erzverfeindeten Köln nicht schlucken: Der Verlag DuMont-Schauberg stellte über seine Medientochter apm ebenfalls Lizenzantrag – für „TV NRW“.

Dass hier vor allem die üblichen NRW-Standortinteressen besetzt werden, verwundert keinen im Musterland von rotem Ruhrfilz und rheinisch-„joter Fründe“. Programmkonzept und -qualität sind ohnehin nachrangig. Denn wer einen Lizenzantrag für ein privates Rundfunkprogramm stellt, ein halbwegs vielfaltssicherndes Programm präsentiert, einen mit Kaufmannsverstand errechneten Business-Plan vorlegt und Satellitenkapazitäten nachweist, dem kann keine Medienanstalt die Lizenz verweigern. Und so sind alle vier Anbieter zugelassen.

Knackpunkt aber ist der Weg auf die Fernsehschirme: Eine Satellitenfrequenz ist zwar zu haben, aber teuer. Und nur übers TV-Kabel kann man die Zuschauermehrheit erreichen – bzw. die Werbegroschen sprudeln lassen. Doch die Kabelfrequenzen sind in NRW vergeben. Einer der rund 33 Kanäle, der heute noch sendet, muss weichen, und eben nur eben diesen Kabelplatz wird die LfR für das private NRW-Fernsehen freischaufeln.

Darum sollten die vier Bewerber eigentlich bis Ende Januar ein gemeinsames Vorgehen beschließen. Diskutiert wurden eine Fusion aller Projekte oder die Aufteilung des Kabelplatzes wie bei Kinderkanal und Arte – am Ende war keine Einigung in Sicht. Am 17. März soll jetzt die Vorentscheidung fallen, wer von der Viererbande wirklich auf Sendung geht. Bedingung: Der Sendebetrieb über Satellit muss ab der zweiten Februarhälfte laufen. Wer kein Programm vorweisen kann, fliegt aus dem Medienmonopoly raus.

Zur Entscheidung, welches Programm das Rennen macht, lässt sich die Medienanstalt wenig Zeit: Sie begutachtet die Sender knapp drei Wochen ab Anfang März, dann soll die künftige Rangfolgeliste für das NRW-Kabel und damit der Sieger feststehen. Am 20. Juni erfolgt die eigentliche Kabelzuweisung.

Und hier hat die Düsseldorfer DFA mit „NRW-TV“ die Nase vorn. Das Unternehmen (rund 450 Mitarbeiter, davon 100 in Hamburg) ist fernseherfahren und hält u.a. Anteile an NBC Giga, dem Nachrichtensender n-tv, CNN Deutschland, Zap-TV, und den Regional-TV-Sendern Hamburg 1, Saar TV sowie Fernsehen aus Berlin (FAB). Der Sendestart ist für den 21. Februar geplant, das Signal wird bereits über Eutelsat durch den Äther gebeamt, Testbild, „NRW-TV“-Teaser und Musik gibt’s auch schon. Am 1. März dann will „nrw 1“ nachziehen. Was noch ansteht, sind „Abstimmungsgespräche“ mit dem Zeitungsgiganten WAZ-Gruppe über eine mögliche Beteiligung. Am Donnerstag hatte man sich zu Verhandlungen in Dortmund getroffen, aber keine Einigung erzielt.

Das könnte auch mit den hanebüchenen Erwartungen der „nrw 1“-Macher zusammenhängen: Am fast leer gezogenen Sendezentrum von „Studio Dortmund“ in Dortmund-Hörde – früher wurde hier Pils gebraut – geben sich die „nrw 1“-Macher ihren Träumen hin: „500 Millionen Werbemark“ pro Jahr sollen eingespielt werden. Und Rainer Hohler, Heitkamps Medienpolier, bezeichnet die Mitbewerberkonzepte schon mal vorsorglich als „Billigangebote“.

Außerdem ist „nrw 1“ ein Stück echte Strukturförderung: Im Studio Dortmund senden nach dem Wegzug von Onyx, Deutschlands unnötigstem Musikkanal, und TM 3 nur noch Zulieferer für Sat.1 und DSF. Ersatz musste her. Offiziell erblickte „nrw 1“daher schon am 20. Mai 1999 das Licht der Welt: 50 Prozent der Anteile hielt der Bauunternehmer Heitkamp, die andere Hälfte war fest in öffentlicher Hand (zu je einem Viertel Stadtsparkasse und die Stadtwerke Dortmund). Echtes Bürgerfernsehen nach westfälischer Gutsherrenart also – und (weil zu mehr als einem Viertel im Besitz der Stadt) ausdrücklich vom Rundfunkgesetz verboten.

Aber von Staatsferne war ja auch nie die Rede. Die Steuertöpfen der öffentlichen Hand lassen das Ganze weiterhin zum Projekt ohne Risiko für die kooperierenden Partner werden, auch wenn im Dezember 1999 die Stadtsparkasse aus „nrw 1“ ausgestiegen ist. Schon im November 99 erklärte Ministerpräsident Wolfgang Clement (SPD) im Düsseldorfer Landtag: „Die Beteiligung der Dortmunder Stadtwerke an ‚nrw 1‘ wird derzeit kommunalaufsichtlich geprüft.“ Und dass dauert. Solange, dass die CDU-Fraktion im NRW-Landtag schon offiziell per kleiner Anfrage eine Antwort angemahnt hat. Allerdings dürfte sie nicht viel anders ausfallen als die von Innenministeriumssprecherin Lydia Jendryschick zur taz: „Unser Haus prüft das noch.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen