: Garde unter Verdacht
Der Mord an dem guatemaltekischen Weihbischof Juan Gerardi könnte endlich aufgeklärt werden ■ Von Toni Keppeler
San Salvador (taz) – Der Mord an Guatemalas Weihbischof Juan Gerardi vom 26. April 1998 scheint vor der Aufklärung zu stehen. Ende Januar wurden drei Militärs und die ehemalige Haushälterin des Weihbischofs als Tatverdächtige verhaftet. Am Mittwoch vergangener Woche schnappte die Polizei den Priester Mario Orantes bei der Einreise auf dem Flughafen von Guatemala-Stadt.
Diese Verhaftungen waren schon seit Monaten überfällig. Die von Menschenrechtsorganisationen und Journalisten zusammengetragenen Zeugenaussagen und Indizien ergeben ein ziemlich deutliches Bild des Verbrechens. Danach wurde der Mord an dem damals 75-jährigen Bischof in der Präsidentengarde geplant und von dort aus auch ausgeführt.
Orantes war eher ein unfreiwilliger Helfer. Er ist schwul und hatte ein Verhältnis mit einem jungen Soldaten aus der Präsidentengarde. Wahrscheinlich ahnungslos schleuste er den Täter ins Haus, der dann in der Garage Gerardi mit einem Betonklotz erschlug. Einen direkten Tatzeugen gibt es nicht. Alles andere aber ist gut belegt, von der Überwachung Gerardis durch die Präsidentengarde bis hin zur Flucht des Täters.
Auch ein Motiv liegt auf der Hand: Der Bischof hatte zwei Tage vor seinem Tod einen umfangreichen Bericht über Menschenrechtsverletzungen in der Zeit des Bürgerkriegs (1962 bis 1996) präsentiert. Achtzig Prozent der darin aufgeführten Verbrechen werden der Armee angelastet. Die Eliteeinheit nahm Rache.
Doch was folgte, war eine absurde Geschichte, wie sie nur in Guatemala möglich ist. Zunächst wollte der Staatsanwalt, ein ehemaliger Rechtsberater der Militärs, den Mord einem völlig unbeteiligten Trunkenbold in die Schuhe schieben. Dann einem ebenso unbeteiligten Drogendealer. Und schließlich Orantes. Alle drei wurden der Reihe nach verhaftet, alle drei aus Mangel an Beweisen wieder frei gelassen.
Schließlich wurden auf internationalen Druck Staatsanwalt und Untersuchungsrichter ausgewechselt. Doch als der nächste Untersuchungsrichter ernst machen wollte, bekam er Todesdrohungen und verließ das Land. Danach tat sich nichts mehr. Bis Alfonso Portillo von der Partei des Ex-Diktators Efrain Rios Montt Präsident wurde.
Was aber treibt diesen Mann? Er hätte es eigentlich nicht nötig, die Armee zu verärgern, die Präsidentengarde nach Hause zu schicken und Militärs als Bischofsmörder ans Messer zu liefern. Er hat die Präsidentschaft im zweiten Wahlgang mit 68 Prozent der Stimmen gewonnen. Seine „Republikanisch-Guatemaltekische Front“ (FRG) hat die absolute Mehrheit im Parlament. Parteichef Rios Montt ist Parlamentspräsident, seine Tochter die Stellvertreterin. Viel sicherer kann man gar nicht im Sattel sitzen. Entpuppt sich Portillo am Ende als guter Mensch von Guatemala?
Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass dem nicht so ist. Will der Präsident auch nur ein bisschen internationale Anerkennung und Hilfsgelder bekommen, muss er ein freundliches Gesicht aufsetzen. Denn sein Wahlkampf hatte Schlimmes erwarten lassen. Er schämte sich nicht dafür, dass er vor siebzehn Jahren in Mexiko zwei unbewaffnete Studenten erschossen hatte. Im Gegenteil.
Die Episode passte nahtlos in seine Law-and-Order-Werbung. Als beim ersten Wahlgang der FRG ein paar Bürgermeisterämter verloren gingen, zündeten seine Anhänger im Vorgefühl unbegrenzter Macht einfach die Rathäuser an.
Portillo musste zeigen, dass er ganz anders ist. Und dabei ging er clever vor. Otilia Lux de Coti macht sich als ehemaliges Mitglied der Wahrheitskommission im Kabinett ganz gut, hat aber als Ministerin für Sport und Kultur kaum Einfluss. Auch die Entlassung des Generalstabs beeindruckt nur auf den ersten Blick. Denn dieses Gremium war von Offizieren geprägt, die 1983 den Militärdiktator Rios Montt weggeputscht hatten. Ähnliches gilt für die Präsidentengarde.
Sollten doch noch ein paar ihrer Mitglieder als Bischofsmörder verurteilt werden, nützt das der Machtsicherung von FRG und Portillo genauso wie dem internationalen Ansehen.
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