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Wirtschaftsminister blockieren Recycling

Seit Monaten liegt die Elektroschrott-Verordnung auf Eis. Die Verzögerungstaktik von Wirtschaftspolitikern und Industrie könnte schon bald Erfolg zeigen: Die Frist für das Regelwerk läuft im März ab ■ Von Matthias Urbach

Berlin (taz) – Der Wirtschaftsausschuss des Bundesrates blockiert seit Monaten die so genannte Elektroschrott-Verordnung. Dies wird die Verordnung voraussichtlich in Kürze zu Fall bringen, denn die EU-Kommission will noch bis Ende März selbst einen ersten Entwurf vorstellen – damit wäre es nationalen Regierungen verboten, noch eine Verordnung zu erlassen.

Dabei ist der deutsche Entwurf praktisch fertig. In dreimonatigen Verhandlungen mit der Elektroindustrie hatten die Umweltministerien von Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und des Bundes einen Kompromiss ausgehandelt. Dieser passierte im vergangenen Sommer den Umweltausschuss des Bundesrats und kam im September in den Wirtschaftsausschuss. Der jedoch vertagte das Thema im Oktober, weil weitere Fragen geklärt werden müssten. Bis gestern stand kein neuer Beratungstermin fest.

Das ist auch bald nicht mehr nötig, wenn nun die EU-Kommission den Entwurf vorlegt, den sie Anfang des Monats angekündigt hat. Schleswig-Holsteins Umweltminister Rainder Steenblock (Grüne) fordert den Wirtschaftsausschuss auf, „die Blockade endlich aufzugeben“. Nur so könne eine weitere langwierige Zeitverzögerung durch die Beratungen auf EU-Ebene vermieden werden, sagte der Minister der taz. „Das würde mindestens drei Jahre kosten.“

Der deutsche Entwurf für die in der Amtssprache Elektro-Altgeräte-Verordnung (EAV) genannte Regelung sieht vor, dass die Industrie alte Elektrogeräte kostenlos zurücknehmen muss. Weil Elektrogeräte im Schnitt zehn bis fünfzehn Jahre halten, sollen auch alte Geräte in einer Art Generationenvertrag zurückgenommen werden. Demnach müsste jede Firma so viele alte Geräte entsorgen, wie sie gleichartige neue verkauft hat.

Die EAV umfasst Computer, Unterhaltungselektronik wie Radios oder Videorekorder, Elektrogroßgeräte wie Kühlschränke oder Geschirrspüler und Kleingeräte wie Walkman oder Mixer. Die Kommunen sollen die Altgeräte einsammeln und vorsortieren. Dann sollen die Hersteller über Gemeinschaftsunternehmen die Abholung und Verwertung der Altgeräte organisieren – vergleichbar dem Dualen System.

Eine merkwürdige Rolle spielt dabei der Zentralverband der Elektroindustrie (ZVEI). Nachdem er zunächst dem Entwurf zugestimmt hatte, entdeckte er später neue Kritikpunkte – just nach dem Sommertheater um die Altautoverordnung. Damals hatte Bundeskanzler Gerhard Schröder auf Bitte der Autoindustrie die EU-Rücknahme-Richtlinie für alte Autos aufweichen lassen. Das brachte auch den ZVEI auf den Geschmack (taz vom 29. Juni 1999). Erst erklärte der ZVEI-Sprecher, er sei gegen eine kostenlose Rücknahme. Etwas später lehnte der ZVEI auch den Generationenvertrag ab mit dem Hinweis, er sei verfassungwidrig – obwohl er zuvor auch diesem Detail zugestimmt hatte. Seine Bedenken untermauerte der ZVEI mit einem Gutachten, das er im Herbst Bundesregierung und Bundesrat vorlegte. Dieses Gutachten diente nun dem Wirtschaftsausschuss dazu, eine Entscheidung aufzuschieben und weiter zu prüfen.

Jeder Aufschub nutzt der Industrie, denn die Rücknahme würde Geld kosten. Zwar könnte ein Großteil auf den Produktpreis aufgeschlagen werden, doch der höhere Preis könnte die Kauflust der Kunden bremsen. Die Angaben darüber, wie viel eine EU-Regelung kosten würde, variieren allerdings von Verband zu Verband zwischen 12 und 40 Milliarden Mark pro Jahr. Kosten freilich, die jetzt zu einem guten Teil die Verbraucher direkt über ihre Müllgebühren zahlen müssen. Die Ziele der deutschen wie der EU-Verordnung sind dieselben: Rohstoffe sollen recycelt, Schadstoffe aussortiert werden. Außerdem will man die Firmen anregen, ihre Produkte so zu designen, dass sie leichter wieder verwertbar sind.

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