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Nebensachen aus Buenos AiresPrivate Banking auf Argentinisch

Mit Politikern ist das so eine Sache. Sie sind Diebe, zumindest zweifeln daran in Argentinien nur wenige. Politiker machen krumme Geschäfte, lassen klauen und gehen mit dem ihnen anvertrauten Staatsschätzen wenig sorgfältig um. Beispiele gibt es genug: Der Ex-Präsident Carlos Menem ließ ein 76 Millionen Dollar teures Flugzeug für seine Reisen anschaffen („Tango 01“), in das er einen Friseurstuhl einbauen ließ. Der ehemalige Chef der staatlichen Rentenkasse sammelte während seiner Amtszeit Villen an allen Strandbädern des Landes an und rauchte auf Jamaika Marihuana. Der ehemaligen Umweltminsterin fällt es schwer, zu erklären, wie sie zu so viel Geld gekommen ist.

Selten holt sich ein betrogener Steuerzahler sein Geld bei den Politikern zurück. Das bedeutet, manchmal haben Politiker eben Pech und werden beklaut. Oder gleich das ganze Parlament. Das geschah vor einer Woche. Drei Männer, gut gekleidet und charmant, parkten gegenüber dem Nationalkongress im Buenos Aires. Ohne Probleme passierten sie die Sicherheitskontrollen und verschwanden im Labyrinth des prunken Gebäudes. Plötzlich schlugen die Sicherheitskräfte Alarm. In der Kongresskasse wurden Abgeordnete und Angestellte als Geiseln genommen. Doch eh man sich versah, war auch schon alles vorbei.

Die drei Parlamentsräuber gingen so schnell und unauffällig, wie sie gekommen waren. Nur hatten sie etwas mehr Gepäck und wahrscheinlich weniger Sorgen: Kuverts und Dokumente, die im Safe des Kongresses lagerten leerten sie in einen großen Sack. Keine schlechte Beute: 1,3 Millionen Dollar in nur 20 Minuten. Das ist Rekord. Am Tag drauf sollten Abgeordnete und Angestellte ihren Lohn in bar ausbezahlt bekommen.

Expressbankräube sind in Buenos Aires derzeit in Mode: Die Räuber stürmen mit Pistole und Stoppuhr die Bank, und in weniger als zwei Minuten heben sie ihr Geld und das der anderen ab. So schnell wird kein normaler Bankkunde bedient. Die Polizei sieht von den Hochleistungsräubern bestenfalls noch das Rücklicht des Wagens.

Doch trotz der Alltäglichkeit der Express-Bankraube ist ein Überfall auf den Nationalkongress doch schon dreist. Das dachte auch der Ermittlungsrichter Rafael Pasqual. Er fand einiges über die Räuber heraus, das ihn stutzen ließ: Die Männer müssen sich perfekt im Kongress ausgekannt haben. Es muss sich also um Abgeordnete oder Angestellte gehandelt haben. Viele Argentinier fänden sich in ihrer Einschätzung der Politikerkaste ihres Landes nur bestätigt: „Son ladrones, – sie sind Diebe.“

Pasqual hingegen setzt mehr auf Sicherheitsbeamte. Auch das würde den Argentinier wenig überraschen, der Opfern von Raubüberfällen einen Tip gibt: „Nur nicht zur Polizei.“ Seltsam ist er schon, dieser Raub, findet Pasqual. Denn die mysteriösen Diebe ließen eine halbe Million Dollar im Safe. Dafür haben sie aber ein dickes Bündel von Papieren und einige Kassenbücher in ihrem Räubersack gesteckt, behauptet das argentinische Zentralorgan für investigativen Journalismus Veintidos.

Also kann es sein, dass die Räuber gar kein Geld wollten, sondern hinter anderen Dingen her waren. In der Cafeteria des Kongresses tuschelt man schon lange, dass in der Kongresskasse Geld verliehen wird, zu hohen Zinsen. Dass also irgendjemand dort einen lukrativen Nebenerwerb aufgemacht hat und Geld verlieh, das ihm nicht gehörte.

Private Banking auf Argentinisch. Immer wieder soll in der Kasse etwas Geld gefehlt haben, auch dieses Mal. Am selben Tag des Überfalls hätten Kontrolleure die Bücher der Kasse kontrollieren sollen, um einer Anzeige in Sachen Geldleiher und Veruntreuung auf den Grund zu gehen. Ein Abgeordneter fragte beim Gang in die Kantine einen Kassenwart, ob das fehlende Geld aufgetaucht sei. „Nein“, war die Antwort. „Es kamen die Räuber.“

Ingo Malcher

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