Querspalte:
Qual der Wahl im Karneval
„Als was gehsten du?“ Eine grammatikalische Zumutung, diese Frage. Doch nicht deshalb treibt sie mich seit Wochen in den Wahnsinn. Oder genauer: seit Jahren. Immer kurz vor Fastnachtkarnevalfasching bin ich um eine Antwort verlegen. Schlimm ist das, wenn man von allen Seiten bedrängt wird. Und Menschen, mit denen man sich sonst gerne umgibt, plötzlich was an der Rassel haben und nur noch ans Maskieren denken. Die Mitbewohnerin packt kistenweise Kostüme und Perücken aus und geht einmal als Angela Merkel, dann wieder als Ricky vom Popsofa. Auch der Freund stürzt von einer Identitätskrise in die nächste: „Ich geh’ als Papst. Oder als Lothar Matthäus. Und du?“ Ich verrolle die Augen. „Ich nagel mir ein Brett vor’n Kopf und geh’ als Holzverkleidung.“
Lustig ist das wirklich nicht, in einer Fastnachtshochburg zu leben. Wo alles singt und lacht wie bekloppt. Früh schon kam mein Karnevalistinkarriereknick: Einmal wollte ich unbedingt als Cowboy gehen – wie mein großer Bruder. In der blöden Nscho-Tschi-Perücke kam ich mir total beknackt vor, außerdem kratzte die, und so war ich keine halbe Stunde verkleidet. Seitdem lass ich mich nicht mehr zum Narren halten.
So traumatisiert, denke ich jedes Jahr vor den tollen Tagen über eine heimliche Flucht nach. Nichts wie weg vor den Massen leibhaftiger Teletubbies, Politikerkarikaturen und fleischgewordener Skandale, die an Rosenmontag durch die Straßen ziehen! Nur: Wie geht man als Bimbes? Oder als Geldkoffer? Das geht alles, echten Fastnachtern fällt immer was ein. Mir nicht. Aber vielleicht lass’ ich mich doch wieder überreden und in Narr-kose versetzen. Ich ziehe einfach mein gelbestes T-Shirt an und gehe als Frühlingsanfang. Ein Wunschtraum als Verkleidung. Dann nämlich ist der ganze Spuk vorbei. Helau! Jutta Heeß
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen