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Ein Hoch im Norden

■ Mit vielfältigen US-Verweisen erobern Madrugada die norwegischen Charts

„Natürlich ist hier oben alles ein wenig anders“, konzedierte sogar Bayern-München-Manager Uli Hoeness, als er unlängst norwegischen Boden betrat. Im hohen Norden, wo es lange dunkel bleibt und beißend kalt wird, soll es sogar noch funktionierende, nicht von Entertainment-Egoismen zerfressene Fußball-Kollektive geben. Erhabene Melancholiker wie Mid-night Choir werden in Norwegen von den Lesern der beiden größten Tageszeitungen zur „besten Rockband“ gekürt. ROCK! Das ist in etwa so, als hätte Rosenborg Trondheim plötzlich die selben Schulden wie Real Madrid.

Die Kollegen von Madrugada spielen nun wirklich Rock – und schafften es gleich mit ihrem Debütalbum Industrial Silence auf Platz 1 der norwegischen Charts. Ob das nun ein gutes Zeichen ist oder nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander. Wer es sich (zu) einfach machen will, zitiert kurz das komplette Sündenregister der 80er herbei und verramscht das klassisch besetzte Quartett um den mächtigen Sänger und Texter Si-vert Hoyem als altbackene Epigonen von Simple Minds, U2 oder The Cure. Auch die Plattenfirma hat nicht richtig zugehört und ermuntert zu Vergleichen „mit amerikanischen alternative Country-Bands“ – eine Mutmaßung, die auf den ersten Blick noch an Gewicht zu gewinnen scheint, weil Gastmusiker Bob Egan (Freakwater, Wilco) seine Pedal-Steel gleich für immerhin sechs der insgesamt dreizehn Titel ausgepackt hat.

Doch relativ schnell – spätestens beim düster-dräuenden Live-Titel „Sirens“ – wird klar, dass Madrugada von „No Depression“ und „Alt-Country“ weit entfernt sind. Vielmehr reiten die Norweger auf einer (post-)industriellen Welt he-rum, die von den Doors über The Dream Syndicate bis zu Nick Cave reicht – derselbe Sinn für Drama, Intensität, explodierende Mitternachtsspitzen. Ein Sänger nicht zuletzt, der nicht nur pubertierende Mädchen auf Sinnsuche mit Dunkelmanngebaren und einem jenseitigen Falsett um den Schlaf bringen kann.

Wenn man aber bei Madrugada schon von Americana sprechen will, dann kommt eher die angefressene Hollywood-Version Marke Grant Lee Buffalo in Frage, denen sie vor allem für das schluffige „This Old House“ fast Tantiemen zahlen müssten. Ein Titel übrigens, den man sich noch am ehesten auch hier in den Charts vorstellen könnte. Schließlich haben es die Walkabouts mit dem ähnlich gelagerten The Light Will Stay On auch mal zu einer Notierung dort gebracht. Aber das ist ja schon wieder lange her... Jörg Feyer

Di, 21. März, 21 Uhr, Logo

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