china bedroht taiwan: GEFÄHRLICHER ALS BEI MAO
Wer sich seit langem mit dem Konflikt zwischen Taiwan und der Volksrepublik China beschäftigt, wird in der neuen Blutrede des chinesischen Premierministers Zhu Rongji das alte Lied der Mao-Zeit wieder erklingen hören. Schon damals entfachte Peking bei jeder sich bietenden Gelegenheit eine martialische Rhetorik, die jedes Mal eine unmittelbare Kriegsgefahr suggerierte. Damals jedoch war alles nur Bluff. Mao dachte niemals ernsthaft daran, ein von den Vereinigten Staaten bis an die Zähne bewaffnetes Taiwan anzugreifen.
Die Frage heute lautet: Gelten die alten Spielregeln noch? Mit Blick auf Taiwan muss das zunächst verneint werden. Demokratie und Mentalitätswandel auf der Insel sind heute weiter fortgeschritten, als sich das auch ein weit sehender Deng Xiaoping, der einst die Formel „Ein Land, zwei Systeme“ erdachte, je hätte träumen lassen. Vor sechs Jahren bekannten sich 48 Prozent der Inselbevölkerung eindeutig zur chinesischen Nationalität, heute sind es nur noch zwölf. Genau das löst den Zorn einer kommunistischen Führung in Peking aus, die mit dem nationalen Ansinnen auf eine Wiedervereinigung mit Taiwan ihre ideologischen Defizite kompensieren will.
Mao konnte Taiwan schlicht zum kapitalistischen Lager zählen, das eines Tages in sich zusammenbrechen würde. Der neue Pekinger Nationalismus aber erklärt Taiwan zum Sonderfall und wittert Hochverrat – völlig zu Recht, da keiner der Kandidaten im Rennen um die taiwanesischen Präsidentschaftswahlen mehr wagt, sich als Chinese zu bezeichnen.
Doch es gibt auch noch Konstanten im Taiwan-Konflikt: Zu ihnen zählt die Großmachtkonstellation im Dreieck China/Japan/USA. Unverändert basiert die Dominanz der Vereinigten Staaten im Pazifik auf ihrem militärischen Bündnis mit Japan und Taiwan. Würde Washington Taipeh fallen lassen, wäre auch das Vertrauen Japans in die USA zerstört.
Die Supermacht lässt deshalb bislang keinen Zweifel an ihrem Taiwan-Engagement. Das ist gut so. Doch ein stabiler Frieden ist damit nicht in Sicht, eher ein schnelles Aufrüsten, das keiner will, aber für das die Insel auf Dauer Anlass bietet. Gerade weil heute Taiwan so modern und demokratisch wirkt, sollte der Westen die postkommunistische Entschlossenheit Pekings nicht unterschätzen. Es bedarf einer neuen Taiwan-Diplomatie. GEORG BLUME
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