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fremdenfeindlichkeit hat viele gesichter

Wenn Brandsätze in Flüchtlingsheime fliegen und Farbige auf offener Straße verprügelt werden, stehen die Täter rasch fest: Jung sind sie, rechtsextrem, männlich, wahrscheinlich läuft ein Kampfhund an ihrer Seite, der Schädel ist kahl rasiert. Fremdenfeindlichkeit – das ist das Problem einer Randgruppe, um die man sich kümmern muss. Ein Trugschluss, glauben Klaus Ahlheim und Bardo Heger, Erziehungswissenschaftler an der Universität Essen.

Sie haben erstmals die regelmäßig alle zwei Jahre repräsentativ durchgeführte Allgemeine Bevölkerungsumfrage der Sozialwissenschaften (Allbus) unter diesem Gesichtspunkt ausgewertet. Das Bild, dass sich dabei ergab, weicht vom Klischee deutlich ab und belegt Fremdenfeindlichkeit als das Problem einer „breiten Volkspartei“ mit vielen unterschiedlichen Gesichtern. Eine der wichtigsten Erkenntnisse sehen Ahlheim und Heger darin, dass Fremdenfeindlichkeit nicht in ursächlichem Zusammenhang mit Arbeitslosigkeit zu sehen ist.

Zwar müssen 37 Prozent der Arbeitslosen im Westen nach den Kriterien der Studie als latent fremdenfeindlich gelten, im Osten sogar 53 Prozent. Dennoch wehren sich Ahlheim und Heger vor der Folgerung, dass Arbeitslosigkeit fremdenfeindliche Haltung nach sich ziehe, denn: Von denen, die diese Auffassungen teilen, haben im Westen 72 Prozent Arbeitslosigkeit bislang weder erfahren noch sei sie zu befürchten. Im Osten liegt deren Prozentsatz bei 40 Prozent. Ahlheim und Heger erklären dies damit, dass Arbeitslosigkeit nur offen lege, was ohnehin latent vorhanden sei. Und diese latente Fremdenfeindlichkeit findet sich weiter verbreitet, als die Zuspitzung auf wenige Täter nahe legt. Sie zieht sich durch alle Schichten.

Größere Bedeutung haben die „weichen“ Faktoren Bildung und Erziehung. Ahlheim und Heger destillierten aus dem Fragenfundus eine „akzeptierend-zuverlässige“ Erziehung heraus, die sich als besonders widerstandsfähig gegenüber diskriminierenden Ansichten erweist. Nur 5 Prozent der Jugendlichen, die liebevoll, demokratisch und gewaltfrei erzogen wurden, neigen zu fremdenfeindlichen Ansichten, während unter denen, die keinen dieser Vorzüge in ihrer Erziehung mitbekommen haben, die latente Fremdenfeindlichkeit bei mehr als einem Fünftel verbreitet ist.

Klaus Ahlheimer und Bardo Heger arbeiten zum Thema Fremdenfeindlichkeit mit Polizisten und Lehrern. Aus dieser Erfahrung heraus haben sie Arbeitsmaterialien zur politischen Bildung herausgegeben, erschienen unter dem Titel „Argumente gegen den Hass“. THOMAS MACHOCZEK

Klaus Ahlheimer und Bardo Heger: „Der unbequeme Fremde. Fremdenfeindlichkeit in Deutschland – empirische Befunde“. Wochenschau Verlag, Schwalbach/Ts. 1999, 24,80 DM

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