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Green Card auch für Ingenieure?

Industrie auf Maschinenbau-Messe in Hannover: Wir kommen in Schwung, brauchen aber mehr Ingenieure

HANNOVER taz ■ Im Zeichen der günstigen Konjukturaussichten, aber auch des Mangels an technischen Fachkräften steht die diesjährige Hannover Messe. Auf der Investitionsgüterschau präsentieren seit gestern 7.250 Aussteller aus 65 Ländern ihre Produkte. Die Branche beschäftigte in Deutschland 1999 laut eigenen Angaben 927.000 Menschen.

Zum Messeauftakt konstatierte selbst der ansonsten aufs Jammern eingeschworene BDI-Präsident Hans-Olaf Henkel einen „Konjunkturfrühling“. Um 3 Prozent könne die deutsche Wirtschaft in diesem Jahr wachsen, die Ausfuhren könnten um 8, die Anlageinvestitionen um 5 bis 6 Prozent steigen. Verhindern kann den Aufschwung nach Meinung des BDI-Präsidenten nur noch die IG Metall. Die Forderung der Gewerkschaft nach Lohnsteigerungen von 5,5 Prozent könne „den jungen Konjunkturfrühling wie der Frost treffen“, warnte der BDI-Chef zum Messeauftakt.

Optimistisch gingen auch die Aussteller in die sechstägige Industrieschau. Der Präsident des Verbandes Maschinen- und Anlagenbau (VDMA), Eberhard Reuther, sah „eine stabile Investitionsgüterkonjunktur“.

BDI-Präsident Henkel drängte in Hannover erneut vehement auf eine andere deutsche Einwanderungspolitik. Diese soll künftig nicht mehr an den Menschenrechten, also am Grundrecht auf Asyl, sondern an den Bedürfnissen der Industrie ausgerichtet werden. Henkel konstatierte nicht nur in der Informationsbranche einen Mangel an rund 75.000 Fachkräften. Ebenso viele Computerspezialisten würden auch in der übrigen Industrie bei der Anwendung der neuen Techniken fehlen.

Außerdem gebe es im Maschinenbau bereits einen Magel an Ingenieuren, meinte Henkel. In der gesamten Wirtschaft sah Henkel bis zum Jahr 2003 „einen Fehlbedarf von 300.000 Fachleuten“. Deswegen dürfte es bei der Green Card für 20.000 Computerspezialisten nicht bleiben, sondern sei der deutsche Arbeitsmarkt insgesamt „schnellstens für hoch qualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland“ zu öffnen. „Wenn dazu ein Einwanderungsgesetz nötig ist, sage ich: Warum nicht?“, erklärte der BDI-Präsident.

Der Präsident des VDMA, Reuther, hatte schon bei der Messe-Eröffnungsfeier am Sonntagabend eine zusätzliche Student Green Card gefordert, die ausländischen Studenten nicht nur die Ausbildung in der Bundesrepublik erleichtern, sondern auch eine anschließende befristete Berufstätigkeit hierzulande ermöglichen soll. Auch Henkel verlangte am Montag offene Grenzen für den hoch qualifizierten wissenschaftlichen Nachwuchs. Nur so könne Deutschland Ausgleich für das Abwandern von großen Teilen der eigenen Elite schaffen.

Bundeswirtschaftsminister Werner Müller kündigte zum Messeauftakt weitere „unpopuläre Reformen“ an. Der Kohl-Regierung habe der „Mut zu unbequemen Reformen“ gefehlt. Erst die rot-grüne Bundesregierung habe den Weg der Reformen eingeschlagen, werde ihn konsequent weitergehen und dadurch die gute Konjukturlage in einen langfristigen Wachstumsprozess überführen, versicherte Müller den 1.700 Unternehmern und Managern auf der Messe-Eröffnungsfeier. So werde bis zum Jahr 2006 die Neuverschuldung des Bundes bis auf null zurückgeführt. Bereits bis 2003 würden die Ausgaben des Bundes um 160 Milliarden Mark gekürzt. Auch mit der unpopulären Reform des Gesundheitssystems und der Rente habe die Berliner Regierung bereits begonnen.

Müller versprach den Industrievertretern auch, künftig deren Interessen im Ausland besser zu vertreten. Die Außenwirtschaftspolitik werde er „unter die Überschrift: Wahrung der Interessen der deutschen Wirtschaft“ setzen. JÜRGEN VOGES

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