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american pieEishockey in der NHL: Eric Lindros und sein Kopfweh

EIN „CRYBABY“ WIE ANDY MÖLLER

Now for ten years we’ve been on our own

Es passierte am 4.März in einem Spiel gegen die Boston Bruins, als Eric Lindros, Kapitän der Philadelphia Flyers, seinen Gegenspieler Hal Gill checkte. Der Zusammenprall war für Eishockeyverhältnisse eher harmlos, dennoch fällt Lindros aus: Gehirnerschütterung. Der 1,92-Meter-Mann war benommen und verwirrt. Nun beginnen in knapp zwei Wochen die Play-offs in der National Hockey League (NHL), und die Liga weiß noch nicht, ob einer ihrer größten Stars zum Einsatz kommt.

Auch nach der ärztlich verordneten Pause von vier Wochen bleibt eine Rückkehr des 27-jährigen Centers fraglich. In seiner achten Saison in der NHL ist dies bereits Lindros’ vierte Gehirnerschütterung innerhalb von zwei Jahren gewesen. Nun warnen Ärzte wie Kevin Stone, Gründer der Stone Clinic in San Francisco, der auf die Rehabilitation von Sportlern spezialisiert ist: „Nach drei Gehirnerschütterung wird es wirklich gefährlich.“ Selbst wenn die aktuelle Verletzung vollständig ausheilt, drohen Lindros bei einer weiteren Gehirnerschütterung bleibende Schäden. „Noch so eine Verletzung“, sagt Gehirnspezialist Donald Leslie, „und er ist vielleicht nicht mehr in der Lage seinen Alltag zu meistern.“

Lindros jüngerer Bruder Brett hatte 1996 mit dem Eishockey aufhören müssen. Grund: drei Gehirnerschütterungen in seiner Zeit bei den New York Islanders. Aber selbst wenn Lindros vollständig genesen sollte, ist eine Rückkehr zu den Flyers fraglich. Sein schon lange schwelender Konflikt mit dem Management ist während der verletzungsbedingten Auszeit endgültig aufgebrochen. Lindros wirft dem Club vor, man habe den Ernst der Verletzung nicht erkannt. Tatsächlich hatte der Teamarzt zuerst eine stressbedingte Migräne diagnostiziert. Und Lindros hatte noch vier Matches absolviert.

Der Club behauptet, Lindros habe ein nicht vom Arzt verschriebenes Medikament eingenommen, das seine Kopfschmerzen noch verstärkte. Außerdem habe er seine Symptome verheimlicht. Doch gerade auf seine Wehwehchen ist Lindros sonst besonders stolz, gilt er doch als Andy Möller der NHL: Hochgradig talentiert, aber verwöhnt und zu weich. Zwar sammelte er in guten Jahren Tore und Assists wie der heilige Wayne Gretzky, aber gerade in entscheidenden Spielen tauchte er ab. So erreichte Philadelphia mit ihm nur einmal die Stanley-Cup-Finals, verlor aber glatt gegen die Detroit Red Wings.

Die Gehirnerschütterungen sind nicht alles. Lindros laboriert an Problemen mit Knien, Augen, Schulter und Rücken. Einmal kollabierte seine rechte Lunge. Die vielen Verletzungen haben ihm den Ruf als „crybaby“ eingebracht – so ziemlich das Schlimmste, was einem im Eishockey passieren kann. Außerdem gilt er als schwierig und soll hauptverantwortlich für den Rauswurf von Terry Murray sein, der die Flyers damals immerhin ins Finale coachte.

Sollte sich Lindros noch einmal fürs Weiterspielen entscheiden, dürfte es kein Problem für ihn sein, einen neuen Verein zu finden. So wird bereits eifrig spekuliert: Die New York Rangers haben eine Menge Geld, aber seit dem Rücktritt von Gretzky keinen echten Star mehr. Die Chicago Blackhawks haben eine riesige Halle, aber momentan keine Publikumsattraktion. Und auch die Flyers werden Lindros, dessen aktueller Vertrag zum Saisonende ausläuft, noch ein Angebot machen. Wenn auch vielleicht nur, um ihn dann sofort gegen andere Spieler und/oder Draftpicks einzutauschen. THOMAS WINKLER

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