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Rüttgers treibt die Panik

Warum der einstige Hoffnungsträger seiner Partei und CDU-Landeschef sechs Wochen vor der NRW-Wahl mit Stammtischparolen versucht, Punkte zu machen

DÜSSELDORF taz ■ Das Urteil Erwin Staudts ist vernichtend. „Was Rüttgers macht, ist die unnötigste Aktion, seit der römische Kaiser Caligula im Jahr 40 nach Christus sein Pferd zum Konsul ernannt hat“, sagt der Vorsitzende der Geschäftsführung von IBM Deutschland über die Anti-Green Card-Kampagne des nordrhein-westfälischen CDU-Chefs. Was treibt den einstigen Hoffnungsträger der CDU und früheren „Zukunftsminister“, mit Parolen wie „Kinder statt Inder“ oder „Mehr Ausbildung statt mehr Einwanderung“ in den NRW-Landtagswahlkampf zu ziehen?

Panik, schlichte Panik. Sie bestimmt eineinhalb Monate vor der Wahl sein Reden und Handeln. Die Mobilisierung der Stammtische ist seine letzte Hoffnung, das Stimmungsrad ein halbes Jahr zurückzudrehen. Im letzten Herbst sah sich der 48-Jährige nach den Erfolgen seiner Partei bei den Kommunalwahlen bereits als zukünftiger Ministerpräsident. „Das ist der Anfang vom Ende der SPD-Herrschaft in Nordrhein-Westfalen“, tönte er und sah sich nun in der „Pool-Position“ für die Landtagswahl.

Inzwischen ist alles anders, und seine „neue CDU im Westen“ sieht alt aus. Nach aktuellen Umfragen schwimmen Rüttgers die Felle schneller weg als er schauen kann – und er findet kein Rezept dagegen. Der SPD-Filz war das starke Thema der NRW-CDU. Doch im Vergleich zum CDU-Finanzskandal wirkt die Flugaffäre der SPD wie eine Petitesse – und ihre Anprangerung durch Rüttgers schal. Sehr genau wurde etwa registriert, dass er in seiner Rede auf dem CDU-Landesparteitag Mitte März den Namen Kohl nicht einmal in den Mund nahm. Stattdessen verkündete Rüttgers: „Mit dem heutigen Parteitag ist die Zeit der Selbstbeschäftigung vorbei.“

Hinzu kommt, dass Rüttgers mit dem klassischem Repertoire antisozialdemokratischer Rhetorik dem Modernisierer Clement nicht beikommen kann. Die Warnung vor dem rot-grünen Chaos greift ebensowenig – auch Clement hält nichts von den Grünen. Er lässt sich alle Optionen offen und schielt in Richtung der wiedererstarkten FDP. Und dass FDP-Landeschef Jürgen W. Möllemann lieber mit Clement als mit Rüttgers regieren würde, ist allgemein bekannt. Für ihn ist Rüttgers zur Zeit einfach nur „von der Rolle“. Damit fehlt der CDU ein Koalitionspartner. Und alleine wird er es nicht schaffen. Da bleibt nur noch die Hoffnung auf den Stammtisch.

PASCAL BEUCKER

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