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Vom Rand der Wahrnehmung

■ Die Radar Bros aus L.A. erschleichen sich mit der Andeutung von Melodien betont langsam die nötige Aufmerksamkeit

Bei schlampiger Archivpflege hilft bekanntlich der große Kasten auf dem Schreibtisch weiter. Da ist nichts durch, aber viel drin. Viel Unsinn auch. Die Radar Brothers z.B. – um die geht es hier – werden im „All Music Guide“ unter „Rock“ geführt, als „styles“ werden zusätzlich die Leerformeln „alternative pop“, „indie rock“ und „Slow-Core“ angeboten.

Na, „slow“ stimmt schon mal, wie auch ein angenehmes Wiederhören mit dem ersten Album (1997) des Trios aus L.A. bestätigt. Jim Putnam, Gitarrist, Sänger, Songwriter und Sohn des gleichnamigen Produzenten und Studio-Wizards (Sinatra, Ellington, Ocean Way Studios), plädiert allerdings eher für „slow-jams“, weil sich die Songs der Radar Bros oft genug aus längerer Proberaum-Daddelei entwickeln denn vorsätzlich getimtes Produkt eines Diktatoren aus dem stillen Kämmerlein sind. Man habe es schon versucht mit schnelleren Songs, weil ein paar Fans der ersten Stunde der kleine Rock-Hammer zwischendurch fehlte. Funktionierte aber nicht.

Putnam pflegt zwei Hunde, bastelt Modellflugzeuge, sammelt Zombies-Platten, ignoriert Texte so weit es geht und ist besessen und beseelt von Melodie. Oder eher: von der Andeutung einer solchen. Dies sei eher „mood music“ als „song music“, hat richtig die Los Angeles New Times erkannt. Nur eins mag Putnam nicht: Wenn man ihm mit der Schublade „depressive psychedelia“ kommt. Dann sagt er: „I don't think it's depressing. It's uplifting to me“.“

So ergeht's halt einer Band, die nicht schreit nach Deiner Aufmerksamkeit, sich diese eher erschleichen möchte und dann oft nur am Rande der Wahrnehmung entlangstreicht. Die Radar Bros. sagen einfach sanft „Hi“. So wie Alan Bangs früher immer „Hi“ gesagt hat, als er noch mitternächtliche Radioexkursionen unternehmen durfte. So wie der Typ auf dem Cover von The Singing Hatchet (dem aktuellen Album) „Hi“ zu sagen scheint, die Hand zum Gruße erhoben, ein dickes Grinsen unter der Sonnenbrille.

Live soll es übrigens noch ein bisschen langsamer zugehen als auf den Platten, weil Schlagzeuger Steve Goodfriend (toller Name!) auf der Bühne erst recht „laid-back“ über die Felle streicht und Bassist Senon Williams ihn partout nicht davon abhalten will. Also: Hiiiiii.... „You can leave the show at any time“ („Underwater Culprits“, Radar Bros.)

Jörg Feyer

Mo, 10. April, 21 Uhr, Knust

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