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Belangloser Sex unter Lieblosen

■ Dumme Klischees, die labernd ficken: David Hares Schnitzler-Reigen „The Blue Room“ an den Hamburger Kammerspielen

Die Straßenhure trägt wirklich ekelhaft rosa Cowboystiefel mit Fransen, ihr Minirock hat keine Taschen, also steckt sie die Hände vorne rein, das Schamhaar kitzelt so schön. Kaugummiknallen kann sie supervulgär. Gespielt wird sie von Natalia Wörner. Der Taxifahrer, mit dem sie eine Nummer schieben will und wird, hat vorgeschobene Hüften und ein vorgeschobenes Kinn. Er sagt keine netten Sachen, er ist sehr deutlich ein Super-Arschloch. Gespielt von Herbert Knaup. Als es zum Sex zwischen den beiden ekligen Figuren kommt, geht das Licht aus. Ein rotes Display über der Szene leuchtet auf: „3 Minuten.“

Szenenwechsel. Der Taxifahrer ist der gleiche. Er fickt jetzt ein russisches Au-Pair-Girl mit geblümten Kleid, großen Kulleraugen und blödem Akzent. Gespielt von Natalia Wörner. „Minuten“. Das Au-Pair-Girl verführt den schüchternen Jurastudenten (Knaup), bei dessen Eltern sie arbeitet. Der erwartet die Frau (Wörner) eines befreundeten Politikers...

Endlos geht der Reigen nach dem gleichen Bauprinzip weiter. David Hares Schnitzler-Paraphrase The Blue Room, die in der Deutschen Erstaufführung zu sehen ist, ist ein fürchterlich dummes Stück. Hare zeigt nämlich nur, wie dumme Klischees miteinander ficken, sonst nichts. Er gibt seinen Charakteren außerhalb der Willkür seiner Dramaturgie keinen Grund, sich gegenseitig zu begehren. Sie ersticken an der pseudowitzigen Karikatur, am unsympathischen Geschwafel. Und nach dem dummen Geschwafel kommt halt Sex. Toter, belangloser Sex unter Lieblosen.

Peter Löscher (Regie), Peter Pabst (Bühne) und Ilse Welter (Kostüme) hatten dem nichts entgegenzusetzen. Der Boulevard-Charakter wurde ästhetisch-lässig, mit vielen gut gesetzten halben Witzen bedient. Echte Gefühle gab es nicht, sie waren wahrscheinlich mit dieser Stückvorlage nicht möglich. Oder nicht beabsichtigt?

Michael Dißmeier

Vorstellungen: immer Di – So, bis Ende Mai, jeweils 20 Uhr

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