■ H.G. Hollein: Herdgemeinschaft
Die Frau, mit der ich lebe, neigt gelegentlich zum Fluchen. Ich bin da ja ganz anders. Das Anrösten von Croutons in einer Pfanne etwa entlockt der Gefährtin regelmäßig einen Schwall übler Verwünschungen. Nun kenne auch ich allerdings nichts, das leichter wäre als frisch geschnittene Weißbrotwürfel. Die putzigen Kuben haben nicht den geringsten Res-pekt vor den Newtonschen Gravitationsgesetzen. Derweil sie fröhlich aus der Pfanne hüpfen, ist es an mir, besänftigend auf die Gefährtin einzuwirken, bis sie enerviert das Bratgut meinem bändigenden Zuspruch überlässt. Auch die Entsorgung trockener Zwiebelschalen trägt nicht zur Stabilisierung des ohnehin explosiven Gemüts der Gefährtin bei. Fröhlich tanzend wie kleine braune Schmetterlinge lassen sie sich überall nieder, nur nicht im Mülleimer. Die Gefährtin wurmt das gar mächtig. Jegliche Façon verliert sie allerdings erst angesichts der geysirgleich eruptierenden Schlacke einer erhitzten Tomatensauce. Da macht es sich gut, wenn ich ihr mit einem feuchten Läppchen hilfreich zur Seite stehe. Andererseits ist die Gefährtin seltsam unsensibel, was die Adhäsionskraft bestimmter Lebensmittelreste angeht. Es ist ihr einfach nicht nahe zu bringen, dass ein angetrockneter Cornflakerich selbst dem versiertesten Hausmann ein grimmiges Zähneknirschen entlockt. Von den Resten eines gequirlten Eigelbs auf einem Tassenboden ganz zu schweigen. Die Gefährtin tut zögerlich vorgebrachte Ermahnungen gerne mit dem Hinweis ab, man möge doch einen Geschirrspüler anschaffen. Da traf es sich gut, dass kürzlich der von der Gefährtin geschätzte Kollege P. aus seiner Küchenpraxis berichtete. Er habe einen derartigen Automaten, und in den stapele er immer fein säuberlich das gebrauchte Geschirr. Wenn dann das Behältnis gefüllt sei, nehme er alles heraus und spüle besinnlich von Hand. „Die Maschine machts mir einfach nicht gründlich genug“, war seine – wie ich fand – einleuchtende Begründung. Die Gefährtin wollte das ausnahmsweise nicht kommentieren.
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