: Standort für die eilige Messe
An den Senatsplänen zur Erweiterung der Hamburg Messe hagelt es Kritik. Der Fleischgroßmarkt sieht seine Existenz bedroht, Schanzenviertel-Bewohner fürchten um ihren Schlaf ■ Von Peter Ahrens
Der Architekt des Senates spricht von einer „einzigartigen Lösung“, die Links-Opposition im Rathaus von einem „vorprogrammierten Desaster“ – und beide meinen dieselbe Sache. Die rot-grüne Regierung will die Hamburg Messe am alten Standort zwischen Petersburger Straße, Karolinen- und Rentzelstraße erweitern – ein mehrere hundert millionen Mark schweres Projekt mitten in der Stadt. Die Wirtschaftsbehörde glaubt an den großen Wurf, AnwohnerInnen aus Schanzen- und Karoviertel fürchten gemeinsam mit der Regenbogen-Gruppe ein beispielloses Verkehrschaos, und der Fleischgroßmarkt an der Lagerstraße bangt um seine Existenz.
Dass mit der Messe etwas passieren muss, darüber sind sich PlanerInnen und KritikerInnen einig. Bei Messen wie der „Internorga“ oder der „Hanseboot“ platzt das Gelände aus allen Nähten. Bei der Internorga ist die Warteliste der Interessenten mittlerweile fast so lang wie die der Aussteller. „Wir können nicht so weitermachen, ohne das bestehende Geschäft auf Dauer zu gefährden“, sagt Messe-Geschäftsführer Dietmar Aulich. Die Gebäude sind veraltet, die Transportwege eine Katastrophe. Zwei Tage vor und nach einer großen Messe, so Aulich, parken die Lastwagen rund ums Gelände alles dicht: Probleme, die dazu führen könnten, dass die Aussteller in Zukunft lieber nach Leipzig, Berlin oder Düsseldorf gehen, wo sie zufriedenstellendere Bedingungen haben.
Diese sollen in Hamburg durch eine Erweiterung erreicht werden: In zwei Bauabschnitten – so die Vorstellungen von Senat und beauftragtem Planer Folkwin Marg – dehnt sich die Messe auf fast das Doppelte aus. Im ersten Abschnitt geht man über die Karolinenstraße hinaus auf Flächen rund um den Fernsehturm, die heute noch der HEW, der Telekom und der Post gehören. Den Autoverkehr will Marg in einer Tiefgarage unter der Glacis- chaussee unterbringen und hofft, so auch den Parkverkehr für den Dom und die Heimspiele des FC St.Pauli mit zu entsorgen. Die Lagerstraße soll geschlossen werden, der Anlieferverkehr für den Großmarkt auf eine neue Parallelstraße ausweichen.
Im zweiten Bauabschnitt würde das Messegelände auf Flächen des Fleischgroßmarktes übergreifen. Der Senat hat sich bisher immer geziert, sich auf diesen zweiten Abschnitt definitiv festzulegen, weil damit das heikle Thema Großmarkt berührt wird. Aber für Marg ist ganz klar: „Die Messe kann sich nur entwickeln, wenn dem ersten Schritt auch der zweite folgt.“
Als sich Rot-Grün im Dezember vergangenen Jahres für eine Messe-Erweiterung am alten Standort entschied, war es zunächst die Handelskammer, die von einer „gravierenden Fehlentscheidung“ sprach. Sie hätte die Messe gern in Billwerder in Hamburgs Südosten angesiedelt. Dort hätte man ungehemmt Parkplätze bauen können: die Messe als Anlaufpunkt für noch mehr Autoverkehr. Der Senat kam diesem Kammer-Wunsch nicht nach, und aus der Begründung machen Wirtschafts- und Stadtentwicklungsbehörde kein Geheimnis: Hätte man das alte Messe-Gelände mitten in der Stadt geräumt, hätten sich die Investoren auf die freiwerdenden Flächen gestürzt – und dann eventuell nicht mehr so großes Interesse am Hafen-City-Gelände gezeigt. Das hat aber in den Plänen des Senates absolute Priorität, weil die anvisierten 500 Millionen Mark Erlöse aus der Hafen-City die Hafenerweiterung in Altenwerder finanzieren sollen. Handelskammer-Präsident Nikolaus Schües hatte noch auf seiner Silvester-Rede anlässlich der Versammlung eines Ehrbaren Kaufmannes vor dem versammelten Senat bedauert, „dass die Altenwerder-Hypothek nicht nur die Hafen-City belastet, sondern auch auf die Standortfrage der Messe durchschlägt“. Die Kammer ist inzwischen zurückgerudert und versucht nun, „konstruktiv das Beste für den jetzt geplanten Standort herauszuholen“, wie der zuständige Referent der Kammer, Bernd Reichhardt, sagt. Die Skepsis der Wirtschaft bleibt.
Die KritikerInnen der Senatspläne bilden eine ungewöhnliche Allianz: die Handelskammer, der Regenbogen und die Geschäftsführung des Fleischgroßmarktes. Für den Regenbogen sind es vor allem die Verkehrsprobleme, die „noch völlig ungelöst“ sind. „Der Senat nimmt in Kauf, dass der gesamte LKW-Verkehr durch die Wohngebiete im Schanzenviertel rollen wird“, beklagt Regenbogen-Sprecherin Heike Sudmann. Sie sagt daher bereits jetzt „das endgültige Ende des ruhigen Schlafes für die Schanzenviertel-BewohnerInnen“ voraus. Ein „stadtverträgliches Messeverkehrskonzept“ fordert auch die GAL durch ihren Verkehrsexperten Martin Schmidt ein. Karo und Schanze müssten im Erweiterungsfall „durch entsprechende Maßnahmen besonders geschützt werden“. Marg räumt selbst „die kritischen Schnittstellen der Planung hin zum Karo- und Schanzenviertel“ ein, garantiert aber zumindest dem Karoviertel: „Es gibt nicht einen Personen- und Lastwagen, der durch die Planung mehr ins Karoviertel fahren muss.“ Die Skepsis der AnwohnerInnen bleibt.
Die größten Widerstände gegen die Erweiterung kommen vom Fleischgroßmarkt (FGM). „Die Pläne haben bei uns eingeschlagen wie eine Bombe und zu erheblichen Existenzsorgen geführt“, sagt Hans Guthold, einer der beiden Geschäftsführer des FGM. Und sein Kollege Jörg Mattfeld zählt auf: 163 Betriebe haben sich auf dem Gelände angesiedelt, Betriebe, die seit Generationen für den Großmarkt arbeiten. Wenn ein Teil der Fläche wegfiele, dann „werden diese Betriebe über kurz oder lang sterben“, und 2000 Arbeitsplätze „sind dann endgültig weg“. Marg hält dagegen, dass der Großmarkt seine Aufgaben „räumlich komprimieren“ könne. Dann sei es auch nicht so tragisch, wenn die Messe-Erweiterung im zweiten Bauabschnitt aufs Großmarktgelände übergreift. Die Befürchtung, die Hälfte der Marktfläche könne geopfert werden, versucht er zu zerstreuen: Lediglich eine halbe Halle müsse weichen. Die Skepsis des Großmarktes bleibt.
Bis Ende des Jahres muss endgültig über die Planung entschieden sein. Kompromisse sind kaum möglich. Marg sagt jetzt schon: „Nur wenn alle Bedingungen erfüllt sind, kann das Konzept funktionieren.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen