: Frau, rothaarig, Jasagerin
Petra Pau, die Landesvorsitzende der Berliner PDS, eckt nicht an – eine Trittbrettfahrerin der Geschichte. Zwar traut man ihr die Führung der Partei nicht recht zu. Doch ihre Chancen stehen gut, den scheidenden PDS-Chef Lothar Bisky zu beerbenvon BARBARA JUNGE
Petra Pau ist eigentlich die ideale Kandidatin für die PDS. Nett, menschlich und integrierend wie Lothar Bisky, vorwärts gewandt fast wie Andre Brie, ostverwurzelt wie der Rest der Partei. Und sie hat bestimmt noch niemals niemanden von den Kopf gestoßen. Die Partei würde sie dafür wählen, ganz bestimmt.
Der große Integrator der PDS, Lothar Bisky, scheidet vom Amt des Parteivorsitzenden. Auch Aushängeschild Gregor Gysi hat in Zukunft Besseres zu tun, als die rückwärts gewandte Basis weichzukochen. Und zur Hoffnung des institutionalisierten Sozialismus in der Bundesrepublik avanciert plötzlich eine Frau, deren größte innerparteiliche Qualität ihre kantenlose Erscheinung ist.
Mitreißendes Charisma hat man der Berliner PDS-Landesvorsitzenden noch nie unterstellt, auch als eine theoretische Orientierungslinie muss man Petra Pau nicht aufsuchen. Und doch – immer wenn die Partei eine prominente Spitzenposition zu vergeben hat, landet es irgendwie in Paus Schoß.
Es ist das alte Lied der heimlichen Karrierefrau: Öffentlich ist man doch immer nur irgendwie reingerutscht, hat sich nicht nach vorn gedrängt. Und doch verläuft der Weg an die Spitze fast reibungslos, vorallem jedoch zäh und entschieden.
Die frühere Pionierleiterin Pau hat sich am Stadtrand von Berlin auf den Marsch durch die Partei gemacht. Anfang der 90er-Jahre ging sie in die Bezirksverordnetenversammlung von Berlin-Hellersdorf. Man hatte sie gefragt, und sie hatte „halt ja gesagt“.
Der Bezirksvorsitz in Hellersdorf folgte. Als 1992 André Bries Stasi-Vergangenheit ins gesamtdeutsche Rampenlicht gezogen wurde, sagte Petra Pau wieder ja und sprang als Berliner Landesvorsitzende in die Bresche. Fortan war die nette Berlinerin aus Kaulsdorf Vorsitzende des einflussreichsten Landesverbandes. „Es war da gerade niemand anderes da“, sagt Petra Pau heute – und die Männer um Gregor Gysi dachten wohl, sie könnten das junge Mädel leicht formen.
Jetzt ist das Mädel mit den roten Haaren 36 Jahre alt, und außer ihr ist ist wieder einmal nicht wirklich jemand da. Seit Tagen werden Pau und Bundesgeschäftsführer Dietmar Bartsch als mögliche Bisky-Erben gehandelt, Bisky selbst hat die KandidatInnen inthronisiert. Zwar traut man Pau die Führung der Partei gar nicht so recht zu. Doch ihre Chancen stehen gut.
Pau wäre – bliebe die Kandidatur eine Sache zwischen ihr und Bartsch – die konsensfähigere von beiden. Im Gegensatz zu Bartsch ist Pau noch aus jedem politischen Konflikt als Verkünderin des innerparteilichen Pluralismus hervorgegangen. Zwar wehrt sie sich entschieden gegen rückwärts gewandte Ambitionen. Doch holt sie stets die alte Garde wieder mit ins Boot.
Auch jetzt wieder stand sie zwar – eigentlich irgendwie – für die Vorstandsposition zu militärischen UN-Einsätzen. Doch um die Basis nicht zu schrecken, ließ sie sich zumindest vor dem Parteitag darauf nicht festnageln.
Pau ist Bundestagsabgeordnete, Wahlkreis Berlin-Mitte. Freiwillig hat ihr die Parteiführung auch diesen Wahlkreis nicht anvertraut, der 1998 für den Einzug in den Bundestag potenziell entscheidend war. Auch die Qualifikation für diesen Job hatte die Herrenriege ihr nicht unterstellt. Gysi zauberte zunächst den ehemaligen Flottillenadmiral Elmar Schmähling als Zugpferd aus der Tasche. Prominenz statt Basisnähe, das war sein Motto für den erfolgreichen Wahlkampf.
Doch neben seiner Prominenz hatte Schmähling auch ein Strafverfahren wegen Betrugs aufzubieten. Damit hatte sich die Kandidatur erledigt, und Petra Pau blieb als Notnagel übrig. Den Job wollte sie längst. Und auch die Parteibasis hatte ihr Votum für die Landesvorsitzende schon abgegeben.
Eine Trittbrettfahrerin der Geschichte – so mag Pau ihr Bild von sich selbst. Schon zu DDR-Zeiten stolperte sie scheinbar zufällig bis in den Zentralrat der FDJ. Die Wende selbst, die hat Pau übrigens verschlafen. Günter Schabowski hatte damals zwar irgendwas im Fernsehen Ost gesagt, aber Pau wunderte sich noch am nächsten Morgen über die vollen S-Bahnzüge gen Westen.
Vier Wochen brauchte Petra Pau damals, bis sie nach dem 9. November 1989 ihren Fuß in den Westen setzte. „Da war irgendeine Hemmschwelle“, sagt sie heute. Mit viel Misstrauen begegnete die engagierte Sozialistin dem kapitalistischen Ausland. Und für sie war klar: „Ich will mich nicht irgendwo in die Bundesrepublik hinverpflanzen lassen.“
Zitat: Petra Pau hat in der PDS noch niemanden vor den Kopf gestoßen. Die Parteibasis würde sie dafür wählen, ganz bestimmt
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