piwik no script img

56 Zeilen Haider

Die Kultur ruft. Bernhard Tschofen erklärt die Alpen in seiner Studie „Berg Kultur Moderne“

Jörg Haider fährt Rad, Jörg Haider joggt, im Hintergrund die Berge: Mit dem Eintritt der FPÖ in die österreichische Regierung sind uns die Alpen wieder ein Stück näher gerückt. Aus dem gesamteuropäischen Naherholungszentrum ist die Kulisse eines neuen Nationalismus geworden: „Erschlossen, nämlich begehbar, abbild- und erzählbar gemacht“ werden die Alpen „gemäß den je herrschenden Ideologien“, schreibt Bernhard Tschofen in seiner Studie „Berg Kultur Moderne“.

Der Kulturwissenschaftler setzt die Erzählung „Alpen“ aus Edelweißpostkarten und Seilbahnen, Skiliften, Umwelthütten und Bergfilmen zusammen, und auch wenn Jörg Haider an keiner Stelle erwähnt wird, kann man doch etwas über ihn und das von ihm repräsentierte antieuropäische Ressentiment lernen. Seit 1990, liest man im Kapitel „Alpengrenzen“, findet zwischen Ischgl und Samnaun alljährlich ein „Schmugglercup“ statt, bei dem die Teilnehmer ein Päckchen über die österreichisch-schweizerische Grenze befördern müssen: eine Reminiszenz an ein altes, konsequent nationalstaatlich organisiertes Europa.

Haiders Beharren auf den innereuropäischen Zollschranken findet sich in dieser Veranstaltung genauso wieder wie sein offensichtliches Vergnügen an politisch unkorrekten Grenzüberschreitungen. Zuletzt geht es eben – wie beim Radfahren und Joggen – nur um eine sportliche Haltung: „Wir halten uns aus der Politik raus“, hatte der Vorsitzende des Hamburger Alpenvereins vor kurzem die Forderung nach einem Boykott der österreichischen Skipisten beantwortet. Eigentlich bemerkenswert, dass es auch in Hamburg einen Alpenverein gibt. men

Bernhard Tschofen: „Berg Kultur Moderne“. Sonderzahl, Wien 1999. 357 Seiten, 41 DM

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen