■ H.G. Hollein: Schmäh
Die Stadt, in der ich lebe, muss etwas Magnetisches haben. Zu- mindest für Österreicher. Verbrei- teten doch vergangene Woche erst Erika Pluhar im Thalia Tief- und dann in der Katholischen Akademie Otto der letzte Habsburg Flachsinn. Das kann kein Zufall sein, zumal es ja auch Tradition hat. War doch schon anno 1864 die österreichische Flotte tapfer herangedampft, um die dänische Blockade der Elbe zu brechen. So was verbindet schließlich. Die nächsten 54 Jahre blieb den k.u.k- „Eskadern“ dann allerdings nur noch die Adria als „mare austriacum“. Auf dem wurde dafür um so schneidiger „evolutioniert“, und zu maritimen Festanlässen – wenn wieder einmal ein „Rapidkreuzer“ vom Stapel gelassen wurde – traten die Herren damals in „Paradeadjustierung“ an. Für die Damen war „Promenadetoilette“ angesagt. Beim anschließenden „Dejeuner“ hatte dann „der durchlauchtigste Herr Erzherzog“, Thronfolger Franz Ferdinand, zur Konversation die „Palastdame Baronin Locatelli“ links neben sich und zur Patisserie das Intermezzo aus der Posse „Puppchen“ im Ohr. Aber auch für die Untertanen ward gesorgt. Und zwar streng nach Dienstplan. „11 Uhr: Der Wachoffizier kostet das Mannschaftsessen vor der Menageausteilung. 13 Uhr 50: Nach dem Essen schläft, raucht oder schreibt die dienstfreie Mannschaft“. Unterbrochen wurde das Idyll bisweilen durch die eine oder andere frühe Flugkatastrophe. Manch ein Seeflieger tat eben seinem Name alle Ehre und flog in dieselbe: „Apparat XI gelegentlich Wendung und niederem Flug abgestürzt. Flieger und Apparat geborgen. Thronfolger Flieger getröstet.“ So steht's in einem Telegramm des k.u.k Hafen-admiralats zu Pola am 28.3. 1913. Österreichs „Marinekommandant“ von 1821 bis 1844 war übrigens ein Vizeadmiral Hamilkar Marquis Paulucci delle Roncole, und 1917 hieß der „Chef der Marinesektion“ Karl Kailer von Kaltenfels. Bei solch formvollendet maritimer Tradition verwundert's wahrlich nicht, dass es die Älpler wie magisch in hanseatische Gefilde zieht.
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