piwik no script img

„Irrational nach unten geprügelt“

Rolf Drees, Finanzanalyst bei der Union-Investment-Gesellschaft der Volks- und Raiffeisenbanken, über die Arbeit eines Fondsmanagers in turbulenter Zeit und die Frage: Kaufen, halten, verkaufen?

taz: Die Aktienkurse gehen nach einer langen Haussephase nun weltweit nach unten. Werden die Manager Ihrer Fonds allmählich nervös?

Rolf Drees: Gestern war das Geschäft schon hektischer als normalerweise. Bei uns hatten alle gut zu tun.

Wie entwickelt sich der Wert des bei Ihnen angelegten Geldes gerade?

Bei fallenden Kursen gehen auch die Preise der Fonds zurück. Wir können uns der allgemeinen Tendenz nicht vollständig entziehen.

Kommen die Kurseinbrüche für Sie überraschend?

Nein, gerade am Neuen Markt haben wir das schon erwartet. Da ist lange Zeit alles gestiegen, was ein „com“ im Namen hatte, unabhängig von der dahinter stehenden Idee. Das kann nicht ewig gut gehen.

Haben Sie, wenn Sie mit dieser Entwicklung gerechnet haben, schon vorher Gelder aus dem Aktienmarkt abgezogen und anders investiert?

Ja, wir hatten bei den hohen Kursen bereits einiges verkauft und haben die Zuflüsse nicht gleich wieder in Aktien angelegt. Der Anteil der liquiden Mittel, die kurzfristig im Geldmarkt investiert werden, lag daher bei zahlreichen Fonds mit bis zu 8 Prozent etwa doppelt so hoch wie normalerweise.

Würden Sie bei der momentanen Entwicklung an den Börsen von einem Crash sprechen?

Eher nicht. Es ist schon eine deutliche Korrektur nach unten, aber die derzeitigen Verluste sind immer noch weniger als das, was allein in diesem Jahr an Gewinnen zu verzeichnen war.

Wie reagieren Sie in einer solchen Situation? Kaufen, halten, verkaufen?

Wir sind keine Stimmungsinvestoren. Bei uns steht generell nicht die kurzfristige Spekulation im Vordergrund, sondern eine langfristige Analyse. Ob ein Kurs 5 Prozent rauf- oder runtergeht, ist da nicht so wichtig. Die Unternehmen, an deren Zukunft wir glauben, werden wir in jedem Fall halten. Und während manche Werte jetzt zu Recht fallen, werden andere gerade ziemlich irrational nach unten geprügelt.

Wenn beispielsweise nach der Urteilsverkündung gegen Microsoft ein negativer Trend entsteht, der auch die direkten Konkurrenten wie die Firma Sun nach unten zieht, dann macht das wenig Sinn. In solchen Fällen kaufen wir dann eher dazu. Auch im Moment sind manche guten Werte gefallen, und eine solche Chance nutzen wir natürlich schon zum Nachkaufen.

Und was raten Sie den Anlegern?

Auf jeden Fall nicht aus der Ruhe bringen lassen. Hektisches Verkaufen ist in den seltensten Fällen eine gute Lösung. Und man sollte sich davon verabschieden, jedes Jahr 40 Prozent Gewinn zu erwarten. Die Börse ist keine Einbahnstraße. Der Durchschnittsverdienst mit Aktien liegt bei 14,5 Prozent. Wer das erreicht, kann eigentlich zufrieden sein.

Interview: MALTE KREUZFELDT

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen