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Betr.: Plakate zur Arbeit

von RICHARD ROTHER

Mit einer groß angelegten Plakataktion bringen Künstler und Politaktivisten zum 1. Mai das Thema Arbeit in den öffentlichen Raum. Seit gestern kleben acht verschiedene Plakatmotive in der Stadt, die das Thema Arbeit kritisch beleuchten: „Endlich wird die Arbeit knapp“, „Nur fünf von acht Stunden Arbeit werden bezahlt“, „Es gibt zu viel Arbeit ... dieser Art“, „Illegalisierte brauchen gut bezahlte Jobs“ lauten die Motive, die die Berliner auf verschiedenen U-Bahnhöfen und auf der Straße zum Nachdenken anregen sollen. Rund 5.000 Plakate dieser Art werden in den nächsten Tagen Berlin-weit verklebt.

Die Projektgruppe „Engagement und Grafik“ der Neuen Gesellschaft für Bildende Kunst (NGBK), die die Aktion seit einem Jahr organisiert, hat nicht nur Werbeflächen gemietet – auch „wildes Plakatieren“ ist ausdrücklich erwünscht. „Eine Öffentlichkeit, die bezahlt werden muss, ist keine“, sagt Sandy Kaltenborn von der Projektgruppe. Die Mehrzahl der Bilder im öffentlichen Raum seien marktorientiert und würben für Produkte. Im Zuge der zunehmenden Privatisierung öffentlicher Räume gewännen Bilder mit politisch-sozialem Hintergrund an Bedeutung. In anderen Ländern, zum Beispiel in Frankreich, sei dies selbstverständlicher.

Deshalb hat die Gruppe parallel zur Plakataktion eine Ausstellung und eine Veranstaltungsreihe organisiert. Ab Freitag sind in den NGBK-Räumen sechs Wochen lang Arbeiten französischer Grafikateliers zu sehen. Die Ausstellung ist keine Werkschau im herkömmlichen Sinn, sondern will modellhaft zeigen, wie Beispiele von engagiertem Grafik-Design aussehen können. Alle vertretenen Ateliers sind in erster Linie im sozialen, politischen oder kulturellen Bereich tätig und arbeiten zum größten Teil im Kollektiv. Dass sich unterschiedliche Künstler und Projekte – von bekannten Grafikern wie Klaus Staeck und Marily Stroux bis hin zu dem aus der linken Szene kommenden Umbruch-Bildarchiv oder dem Siebdruckkollektiv „Druck machen!“ – jetzt zu dieser Plakataktion zusammengefunden haben, ist kein Zufall. Arbeit stelle eine entscheidende politisch-soziale Kategorie dar, die zur Zeit einen grundlegenden Wandel durchlaufe, heißt es in dem Buch zur Ausstellung. Dieses Thema sei heiß umkämpft, die Antworten auf drängende Fragen seien aber eine Mischung aus alten Rezepten und neoliberalen Vorstellungen.

Forderungen nach gesicherten Arbeitsplätzen und Tarifverträgen wirken nach Ansicht der AutorInnen anachronistisch, schließlich setze sich immer stärker das Modell des flexiblen Jobs für junge und dynamische AufsteigerInnen durch, das Erfolgschancen für alle suggeriere. Während traditionelle Arbeitsplätze abgebaut würden, enstehe ein Dienstleistungssektor – mit zum Großteil ungesicherten Jobs.

„Massive Bereitschaft zur Selbstausbeutung und die Auflösung der Trennung zwischen Arbeit und Freizeit sind Folgen davon“, bemerken die AutorInnen durchaus selbstkritisch. Für sie steht deshalb eine Neubewertung des Verständnisses von Arbeit zur Diskussion. Dabei müsse auch gesellschaftlich nicht anerkannte Arbeit wie die unbezahlte Hausarbeit von Frauen einbezogen werden. Die AutorInnen gehen noch weiter: „Müssen wir die ‚Arbeit‘ nicht insgesamt in Frage stellen und das Recht auf Faulheit neu einfordern?“

Die Auseinandersetzung um solche Fragen würden aber nicht nur diskursiv, sondern auch visuell geführt. Ein Beitrag dazu ist die Plakataktion, „mit der wir die Arbeit in die Öffentlichkeit bringen wollen“, sagt Kaltenborn. Das NGBK-Projekt sieht sich zum 1. Mai auch als Klammer zwischen verschiedenen politischen Organisationen und Initiativen. „Die Plakate sprechen Gewerkschafter genauso an wie Autonome.“

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