DIE INFORMATION ÜBER DEN ANSCHLAG IN ERFURT IST POLITISCH MOTIVIERT: Ein ostdeutsches Problem
Zum Glück richten sich Fingerabdrücke nicht nach politischen Prämissen. Der Fingerabdruck eines einschlägig bekannten und vorbestraften Rechtsextremisten hat sich auf dem Bekennerschreiben zum versuchten Brandanschlag auf die Synagoge in Erfurt gefunden, und der Rechtsextremist wurde verhaftet. Damit ist die gewagte These, Linke hätten ausgerechnet am Abend des „Führergeburtstags“ versucht, eine Synagoge in Brand zu setzen, nur um Rechtsextreme zu diffamieren, aus der Welt. Hätte die Polizei diesen Ermittlungserfolg nicht aufzuweisen, bliebe diese abenteuerliche These in der Welt – und Thüringen hätte mal wieder kein Problem mit dem Rechtsextremismus. Das ist – neben dem Anschlag selbst – das eigentlich Empörende.
Der Polizei ist in ihrer faktischen Ermittlungsarbeit kein Vorwurf zu machen. Sie hat nach kurzer Zeit einen Täter identifiziert und verhaftet. Obwohl ein rechtsextremer Hintergrund nahe lag, war die angekündigte und erfolgte Ermittlung in alle Richtungen einerseits durch den merkwürdigen Duktus des Bekennerbriefes bedingt, andererseits aber auch eine reine Selbstverständlichkeit.
Doch eines rechtfertigt die offene Ermittlungsarbeit nicht: die spezielle Art der Information der Öffentlichkeit durch die Polizei, die sicher nicht unbeabsichtigt bewirkt hat, die sofortigen imageschädigenden Schlagzeilen des rechtsterroristischen Thüringens zu unterbinden. Die offensive Verlautbarung der Polizei, Linke könnten hinter dem Brandanschlag stecken, wurde im Land bereitwillig aufgenommen. Fortan prägten Schlagzeilen von möglichen linken Synagogenzündlern die Diskussion. Und eben dies ist Ausdruck eines Bedürfnisses oder gar einer politischen Strategie, das Problem des Rechtsextremismus in den ostdeutschen Bundesländern zu verharmlosen. Zwar hat Michel Friedman Recht, wenn er jetzt davor warnt, den Rechtsextremismus auf ein ostdeutsches Problem zu reduzieren. Ein ostdeutsches Problem allerdings scheint es zu sein, den Rechtsextremismus als dringliches Problem nicht realisieren zu wollen.
Gerade Thüringen – man erinnere sich an die noch immer untergetauchten rechtsextremen Bombenbastler aus Jena, das nationale Infotelefon in Erfurt oder die vom rechtsextremen „Heimatschutz Thüringen“ faktisch übernommenen Jugendclubs – hat ein immenses rechtsextremes Potenzial. Dass dies dem Investitionsklima ebenso schadet wie dem touristischen Image des Landes, ist eine politisch zu bewältigende Aufgabe. Diese politische Aufgabe löst man jedoch nicht durch offensives Verleugnen, wie unter Exponenten des Landes nicht erst seit dem versuchten Anschlag gang und gäbe. BARBARA JUNGE
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