american pie: Mr. Schulz als Hauptfigur im Prozess gegen den Boxverband IBF
AXEL UND DER FETTE MANN
And a voice that came from you and me
Dass der unbeholfene Michael Grant in einem Boxkampf um die Schwergewichtsweltmeisterschaft nichts zu suchen hatte, darüber waren sich die meisten Experten schon einig, bevor er am letzten Samstag in der zweiten Runde gegen Champion Lennox Lewis bös k.o. ging. Doch Grant war Herausforderer Nummer zwei bei den Verbänden WBC (World Boxing Council) und IBF (International Boxing Federation), die Nummer fünf bei der World Boxing Association (WBA). Was einerseits beweist, dass es um das Schwergewichtsboxen nicht gerade rosig bestellt ist, andererseits die Fragwürdigkeit von Ranglistenplätzen zeigt.
Letzteres wird allerdings noch weit eindrucksvoller bei dem Prozess demonstriert, der gerade in New Jersey gegen den IBF-Gründer Robert W. Lee (66) geführt wird und in dessen Mittelpunkt kein Geringerer als der deutsche Boxer Axel Schulz steht. Insgesamt 338.000 Dollar an Bestechungsgeldern sollen Lee und seine Helfershelfer aus der IBF, dem drittgrößten der drei Topverbände des Boxens, zwecks Manipulation der Ranglisten kassiert haben, 32 Bestechungsfälle werden verhandelt. Allein 100.000 Dollar flossen im Zusammenhang mit einem geplanten Revanchekampf des damaligen IBF-Weltmeisters George Foreman gegen Schulz. Sechs Zeugen, denen die Behörden Straffreiheit gegen Aussagefreudigkeit zugesichert haben, werden sich vor Gericht zu den Praktiken der IBF äußern, darunter der deutsche Promoter Wilfried Sauerland, Ex-Manager von Axel Schulz.
C. Douglas Beavers (56), früher der wichtigste Boxfunktionär in Virginia und in der IBF für die Ranglisten zuständig, ist sozusagen der Kronzeuge des Prozesses. Seit 1997 arbeitete er mit dem FBI zusammen und trug seitdem ein Bandgerät bei sich, das zahlreiche Gespräche mit Lee und anderen aufzeichnete. Beavers beschreibt vor Gericht teilweise bizarre Szenarien. Etwa, als er vom amerikanischen Schulz-Promoter Cedric Kushner – „The Fat Man“, wie ihn Lee zu nennen pflegte – in dessen Haus einen Umschlag mit 100.000 Dollar in 100-Dollar-Noten abholte. Geld, das nach Ansicht des Staatsanwalts von Wilfried Sauerland gezahlt wurde, um einen Rückkampf Foreman – Schulz zu ergattern, nachdem der Deutsche im April 1995 den ersten Fight in Las Vegas umstritten nach Punkten verloren hatte.
Auf einem Rastplatz am New Jersey Turnpike reichte Beavers 50.000 Dollar an Robert W. Lee jr. (38) weiter – der Rest ging an ihn selbst und einen weiteren Funktionär – und machte, dass er davonkam, weil die Sache exakt wie ein Drogendeal aussah. Der Sohn des IBF-Bosses war mit einem roten Sportwagen, in einem knallgelben Jackett und mit allerlei Geschmeide behangen vorgefahren. Der angestrebte Kampf wurde nach der Zahlung von der IBF genehmigt, fand jedoch nicht statt, weil sich Foreman weigerte, noch einmal gegen den „tasmanischen Teufel“ aus Deutschland anzutreten, und lieber auf seinen Titel verzichtete. Für den ersten Kampf gegen Schulz hatte Foreman allerdings selber gezahlt. 100.000 Dollar gingen von seinem Promoter Bob Arum an Lee, um die Genehmigung für den Fight gegen einen nicht in der Weltrangliste vertretenen Boxer zu erlangen, sogar 250.000 Dollar soll Foreman dafür an einen anderen Funktionär gezahlt haben.
Um schwächere Boxer als Herausforderer für Titelkämpfe zu qualifizieren, hatte Beavers jahrelang die IBF-Ranglisten manipuliert – im Auftrag von Lee Sr., der sich dies gut bezahlen ließ. So tauchten immer wieder unbekannte kolumbianische Kämpfer in den Rankings auf, weil ein südamerikanischer Promoter seit 1989 regelmäßig Geld schickte. Hauptnutznießer der IBF-Korruption war jedoch, wie sollte es anders sein, der berüchtigte Box-Promoter Don King. „Was sie erfahren werden“, sagte Staatsanwalt José Sierra zu Prozessbeginn, „ist, dass Don King den Angeklagten Lee Sr. praktisch besaß.“ So holte King auch immer wieder gute Kämpfe für seinen Boxer François Botha heraus. Der Südafrikaner wurde im Dezember 1995 in Stuttgart gegen Axel Schulz nach einem absurden Fehlurteil IBF-Weltmeister und, wie es der Zufall so will: Botha ist am 15. Juli in London auch der nächste Gegner von Lennox Lewis. MATTI LIESKE
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