: „Schluss mit dem Survival Training“
■ Deutscher Lehrerverband Hamburg fordert mehr Mitspracherecht bei GymnasialschülerInnen
Sandra Böttcher arbeitet 60 Stunden die Woche, verdient 1.100 Mark und sagt: „Glücklicherweise bin ich verheiratet.“ Sonst müsste die Referendarin nämlich nebenbei noch jobben, so wie die meisten ihrer KollegInnen. Außerdem muss sie ab Somner nicht mehr nur viereinhalb, sondern sechs Stunden „Bedarfsdeckenden Unterricht“ geben. Das sind Stunden, die sie unterrichtet, ohne dass ein erfahrener Lehrer dabei ist. „Wir Referendare befürchten, dass unsere Ausbildung massiv an Wert verliert.“ Deshalb fordert der Deutsche Lehrerverband Hamburg (DL-H): „Schluss mit dem Survival Training.“
Der Verband hat noch weitere Anliegen an die neue Schulsenatorin Ute Pape: Der Wille der Eltern soll nicht länger das allein entscheidende Kriterium sein, was die schulische Zukunft ihrer Kinder angeht. „Dass 45 Prozent auf dem Gymnasium angemeldet werden, zeigt, dass die Empfehlung der Grundschullehrer überhaupt keine Bedeutung hat“, beklagt DL-H-Vorsitzender Arno Becker. Zu viele ehrgeizige Eltern schickten ihre Kinder auf das Gymnasium, wo viele scheitern würden: „Das richtet großen Schaden an“, sagt Schulleiter Reinhard Behrens.
Denn bis dahin hat es übermäßig viel Aufmerksamkeit der Lehrer absorbiert und nur Misserfolge gehabt. Deshalb schlägt der Verband vor: Eine Zeugniskonferenz soll nach dem ersten Halbjahr beschließen können, einen Schüler an eine andere Schule versetzen zu können, notfalls auch gegen den Willen der Eltern.
Der Verband sorgt sich außerdem um die Zukunft: Während Hamburg Stellen streiche und die jungen Lehrer mit Zwangs-Teilzeit einstellt, stellten Schleswig-Holstein und Niedersachsen mehr ein, als sie selber ausbildeteten. „Die saugen Kräfte aus Hamburg ab“, fürchtet Becker. Die wären dann verloren, wenn in einigen Jahren viele ältere Kollegen pensioniert würden und auch in Hamburg ein großer Bedarf an Lehrern entstünde. Deshalb schlägt der LH-H vor: Die jungen Kollegen sollen schon jetzt eingestellt werden, als „Investition in die Zukunft“.
Mit ihrer Kritik an der Referendar-Ausbildung sowie am geplanten Modell der Altersteilzeit befindet sich der DL-H auf einer Linie mit der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die hat die Lehrer für den 5. Juli wegen der „verfehlten Personalpolitik“ zum Streik aufgerufen. „Dem schließen wir uns nicht an, wir halten das für ein absolut ungeeignetes Mittel“, sagt Becker. „Denn wir stehen dazu, dass Lehrer Beamte sein sollten, und die dürfen nicht streiken.“ Sandra Wilsdorf
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