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Erlebnisdidaktik ohne Schuh

Das Deutsche Historische Museum hat wieder einen Direktor. Hans Ottomeyer von den Staatlichen Museen Kassel wird Nachfolger des heutigen Kultursenators

Seit der inzwischen zum Berliner Kultursenator aufgestiegene Christoph Stölzl das Deutsche Historische Museum letztes Jahres verlassen hat, gehörte die Neubesetzung des Postens des Direktors am DHM zu den best geschützten Geheimnissen der Stadt. Darauf legte besonders Kulturstaatsminister Michael Naumann (SPD) wert, der gestern die Ernennung von Hans Ottomeyer zum neuen Generaldirektor mitteilte. Ottomeyer wurde von einem Aufsichtsrat aus je sechs Vertretern des Bundes und der Länder gewählt.

Naumann freute sich über die „gelungene Wahl“. Ottomeyer sei der anspruchsvollen Aufgabe gewachsen, den von Ieoh Ming Pei entworfenen Neubau des Museums mit Wechselausstellungen zu bespielen und im Altbau, dem Zeughaus, die Dauerausstellung einzurichten, die 2002/2003 eröffnen soll.

Hans Ottomeyer, der zuletzt Direktor der Staatlichen Museen in Kassel war, kommt aus dem gleichen Stall wie Stölzl und scheint einer ähnlichen Erlebnisdidaktik verpflichtet. Zwischen 1983 und 1987 haben sie am Münchner Stadtmuseum zusammengearbeitet. Aus dieser Zeit, sagte Ottomeyer, stamme sein „Glaube, dass Geschichte darstellbar ist und nicht bloß Kunsthandwerk und Kunst.“ So war er am Haus der Bayrischen Geschichte und am Germanischen Nationalmuseum an Ausstellungen über bayrische Könige und das „Leben und Arbeiten im Industriezeitalter“ beteiligt.

Kunstwerke sieht Ottomeyer als Zeitkapseln, die über den ästhetischen Kontext hinaus neu befragt werden müssen. Die politische Kunst, die sich in Porträts oder Flugblättern artikuliert hat, schlummere oft ungelesen in Archiven oder falschen Ahnengalerien. Die will er nun bearbeiten wie Sachzeugnisse. Schon in einer Ausstellung über die Epoche des Vormärz bezog er auf Basis von Nachlassinventaren alle Schichten vom Hof über das Bürgertum bis zu den Dienstmägden mit ein.

Das 1987 gegründete Deutsche Historische Museum ist unter den Museen der Stadt der größte Wendegewinner. Die Wiedervereinigung brachte dem DHM nicht nur den attraktiven Standort Unter den Linden, an dem zuvor das Geschichtsmuseum der DDR untergebracht war. Auch das Interesse an der noch dampfenden Geschichte beider deutscher Staaten wuchs. Durch die schnelle Entsorgung der staatlichen Repräsentationskultur der DDR wuchs das Inventar rapide.

Zum Kapital des Museums gehören auch ein Kino, Café und freier Eintritt. Doch anders als sein Vorgänger Stölzl, der den Boom der Hauptstadt Berlin im Rücken hatte, wird sein Nachfolger mehr didaktische Tricks brauchen. Denn die Dauerausstellung im Zeughaus, an der eine Sachkommission schon lange arbeitet, muss den Weg bis zu Karl dem Großen und den Wurzeln deutscher Geschichte zurücklegen. Da wird das Material nicht nur spärlich – „kein einziger Schuh vom Gang nach Canossa“ witzelte Naumann –, sondern auch schwerer in seinen Bezügen zum Alltag zu verstehen. Ottomeyer will aber Objekte nicht nur in ihrer repräsentativen Funktion, sondern auch als Zeugnis von Mentalität und sozialer Wirklichkeit kenntlich werden lassen. KATRIN BETTINA  MÜLLER

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