Soziale Finanzen

Attac, das Bündnis gegen freie Finanzmärkte, gibt es auch in Brasilien. Forderung: Kapitalflucht stoppen

BERLIN taz ■ „Warum kämpfen wir nicht für die Vier-Tage-Woche, für den Fünf-Stunden-Tag oder für ein Arbeitsjahr, das nur neun Monate hat?“ Antonio Martins stellt konkrete Forderungen auf. Von allgemein gehaltenen Bekundungen hält er nichts. „Warum zahlen wir nicht allen Menschen einen Mindestlohn, unabhängig von ihrer Produktivität?“ Martins ist Mitherausgeber der bislang nur im Internet erhältlichen brasilianischen Le Monde Diplomatique und einer der Gründer von Attac in Brasilien. Er und seine Mitstreiter wollen Alternativen zur neoliberalen Wirtschaftspolitik aufzeigen.

Martins ist nach Berlin gekommen, um Attac Brasilien vorzustellen – das „Bündnis für die Besteuerung von Finanztransaktionen“, das sich im Juni 1998 in Frankreich und im Januar dieses Jahres als „Netzwerk für eine demokratische Kontrolle der Finanzmärkte“ auch in Deutschland formiert hat. In Brasilien haben sich rund 200 Gegner des freien Kapitals im März 1999 zu Attac zusammengeschlossen.

Das Bündnis fordert weltweit die Einführung der Tobin-Steuer – eine Abgabe von 0,1 Prozent auf Kapitaltransfers –, die Abschaffung der „unsozialen Steuerparadiese“ sowie die Stabilisierung der Wechselkurse. „100 Milliarden Dollar würde eine weltweite Tobin-Steuer einbringen – das würde reichen, um überall auf der Welt die Armut zu beseitigen“, zitiert Martins eine UNO-Studie.

Dem Anspruch eines klassenübergreifenden Bündnisses gerecht zu werden, sei in Brasilien allerdings schwieriger als in Frankreich, wo sich linke Intellektuelle mit Obdachlosen und Gewerkschaftern zusammengefunden haben, meint Martins. Die Kommunikation in dem Land mit der weltweit zweitgrößten Schere zwischen arm und reich ist schwierig: Viele Menschen lesen keine Zeitung, die wenigsten haben einen Internetanschluss. Dennoch will Attac Brasilien eine möglichst landesweite Diskussion über die „unsoziale Rolle der deregulierten Finanzmärkte“ entfachen. Im Januar 2001 etwa soll in Porto Alegre eine Gegenveranstaltung zum Davoser Wirtschaftsgipfel stattfinden.

Auch die Finanzlage ist in Brasilien anders als in Europa: Die Abwertung des Real nach der Währungskrise im Januar 1999 hat die in Dollar notierten Auslandsschulden um 40 Prozent anwachsen lassen. Die Zentralbank kämpft mit hohen Zinsen von fast 20 Prozent für eine stabile Währung. Davon profitierten vor allem Reiche, die dem Staat Geld leihen, kritisiert Martins. kk