■ H.G. Hollein: Ungesehen
Die Frau, mit der ich lebe, sieht gern Videos. Aber nicht alle. Nur ist die Gefährtin zumeist nicht allzu explizit, was ihre Wünsche angeht. „Bring doch mal was Hübsches mit“, lautet mein allsamstäglicher Beschaffungsauftrag schlicht. Ich tue ja stets mein Bes-tes, aber in Sachen Home-Entertainment ernte ich selten Dank. Die Neuverfilmung von „Moby Dick“ mit Patrick „Captain Jean-Luc Picard“ Stewart als Ahab anzusehen, lehnte die Gefährtin mit dem Aufschrei „Wie kannst du nur? Das arme Tier!“ rundweg ab. Mein Einwand, dass „Moby Dick“ ohne die Jagd auf den weißen Wal denn doch eines zentralen Handlungselementes entbehren würde, verfing nicht. Als Alternative hatte ich „The Italian Job“ im Angebot, eine Gaunerkomödie mit Michael Caine, in der es um den Einbruch in ein Spielcasino geht. „Schafft er es?“ wollte die Gefährtin wissen, als ich den Wiedergabeknopf drücken wollte. Da ich den Film auch noch nicht gesehen hatte, musste ich diese Zusicherung leider schuldig bleiben. „Dann lieber nicht“, befand die Gefährtin und heischte Ersatz. Als ich daraufhin Kenneth Branaghs „Hamlet“ aus der Einkaufstasche holte, war die Stimmung endgültig beim Teufel. „Vier Stunden?! Das kannst du dir alleine angucken.“ Dazu wäre ich ja bereit gewesen, aber 240 Minuten Hamlet mit einer nörgelnden Gefährtin im Nacken ist mehr, als der geduldigste Christenmensch durchzustehen in der Lage ist. Nur unwesentlich besser kam bei der Gefährtin „Der 13. Krieger“ an. Nach präzise 18 Minuten befand sie bündig: „So ein Scheiß! Den kannst du gleich zurückbringen.“ In gewissem Sinne beruhigend wirkte dagegen „G-Punkt“. Angesichts des feinfühligen Werks der großen Aufklärerin Beate Uhse entschlummerte die Gefährtin zu vorgerückter Stunde sanft. Ich habe mich mittlerweile damit abgefunden, einfach nur zu wissen, dass es den ein oder anderen Film gibt. Und schließlich: Kennt man einen, kennt man alle.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen