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Die UÇK fällt auseinander

Hashim Thaci wird auf dem Kongress der Nachfolgeorganisation „Demokratische Partei Kosovas“ zum Vorsitzenden gewählt. Einige seiner Weggefährten sind nicht mehr dabei. Doch alle wollen die Unabhängigkeit der serbischen Provinz

aus PristinaERICH RATHFELDER

Der ehemalige Chef der Kosova-Befreiungsbewegung UÇK, Hashim Thaci, hat es doch noch geschafft. Erleichterung stand ihm im Gesicht geschrieben, als er in der Nacht zum Montag ans Mikrofon trat. Mit 309 von 420 Stimmen war er gerade zum Vorsitzenden der Nachfolgepartei gewählt worden. Die in „Demokratische Partei Kosovas“ umbenannte Organisation gab sich zudem ein neues Programm und wählte ein 61-köpfiges Führungsgremium.

Der Beifall, den Thaci erhielt, war auch Ausdruck der Erleichterung unter den Delegierten. Denn bis zur Wahl war die Kritik an dem 32-Jährigen nicht verstummt. Mit dem führenden Untergrundkämpfer Bardhyl Mahmuti war ein ernst zu nehmender Konkurrent aufgetaucht. Doch kurz vor der Kampfabstimmung rief Mahmuti die Delegierten dazu auf, Thaci zu stützen. Jetzt hoffen alle, dass die Krise der „Bewegung“ überwunden wird, dass es mit dem Parteikongress gelungen ist, sich als die „wahre“ Nachfolgepartei der UÇK zu präsentieren.

Den Schritt von einer Guerrillaorganisation zu einer politischen Partei zu machen, fiel vielen Delegierten nicht leicht. An dem Kongress nahmen Männer teil, die in ihren Heimatorten Organisatoren und Kämpfer waren, die Generation der 30- bis 50-Jährigen, die in den Zeiten des Krieges und der Not die Dinge in die Hand genommen hatten. Im Krieg, sagt ein Delegierter, „wussten wir, was unsere Ziele sind“. Jetzt müsse jedoch eine neue Gesellschaft aufgebaut werden. Die Partei habe bisher noch kein ideologisches Gerüst.

Es ist erstaunlich, wie schnell die Guerillaarmee von mehr als 40.000 Mann nach dem Demobilisierungsabkommen vom Juni 1999 aufgelöst werden konnte. Thaci hat mit seiner Autorität in der Organisation entscheidend dazu beigetragen. Das 5.000 Mann starke Kosova-Schutzkorps, das der UÇK von den internationalen KFOR-Truppen zugestanden wurde, hat zudem vielen Kommandeuren und Offizieren den Übergang erleichtert.

Auch der Schattenstaat der UÇK ist aufgelöst. Als die Nato am 13. Juni 1999 in das Kosovo einrückte, folgten sogleich die Verwaltungen der UÇK. Schon im albanischen Exil während der Nato-Bombardierungen wurden Bürgermeister, Präfekten und andere Funktionsträger für jede Stadt und Region benannt. Sie übernahmen nach dem Einmarsch sofort die lokale Macht. Der Schattenstaat präsentierte sich an vielen Orten als totalitär und unberechenbar.

Mit dem Aufbau der UN-Mission, Unmik, wurden diese Strukturen nach und nach zurückgedrängt – wieder mit Hilfe von Thaci. Seit dem 1. Februar dieses Jahres gibt es den Schattenstaat nicht mehr, nun kontrolliert die Unmik alle Verwaltungen. Thaci, vorher Premier der provisorischen Übergangsregierung, musste zurücktreten. Er tat dies klaglos „und hat sich als sehr kooperativ erwiesen“, sagt UN-Administrator Bernard Kouchner.

Bei den Worten Thacis, die Zeit des Kampfes sei vorbei, die Gesellschaft Kosovos trete in einen demokratischen Prozess ein, hielt sich der Beifall bei der Eröffnung des Parteikongresses am Samstag denn auch in Grenzen. Erst als Thaci begann, die Stationen des „Befreiungskampfes“ aufzuzählen, kam Stimmung auf. Bei dem Namen Adem Jashari, dem von serbischen Truppen Anfang März 1998 in Drenica ermordeten legendären Mitbegründer der UÇK, sprangen die Delegierten unter rhythmischem Klatschen auf. Damit hatte Thaci die Delegierten auf seine Seite geholt. Und auch damit, dass er die Organisation von allem Verdacht freisprach, in kriminelle Aktivitäten verwickelt zu sein. Energisch wies er Vorwürfe von internationalen Organisationen zurück, seine Leute würden Schutzgelder erpressen.

Bei den Wahlen stärkste Partei zu werden ist das erklärte Ziel Thacis. Politisch gefährlich könnten ihm Dissidenten aus dem eigenen Lager werden. Denn mit Ramush Hajradani und Naim Maloku sind zwei populäre Regionalkommandeure der UÇK abgesprungen, die eigene Parteien gegründet haben und dort über großen Einfluß verfügen.

Mit der „Allianz für die Zukunft des Kosovo“ (AAK) hat Ramush Hajradani viele Menschen um sich geschart, die mit dem Kurs Thacis unzufrieden sind. Auch die radikalen Parteien, die einst geholfen haben, die UÇK zu gründen, stehen zu Hajradani. Alte Kommunisten, wie der ehemalige KP-Parteiführer Azem Vllasi, sind zu ihm gestoßen. In Westkosovo ist er populär, die größte Zeitung des Landes, Zeri, unterstützt seine Kampagne.

Naim Maluku aus Priština setzt auf die „Liberale Zentrumspartei“ PQLK. Als ehemaliger Parteigänger des noch immer beliebten Ibrahim Rugova, des früheren „Präsidenten“ Kosovos, könnte er auch aus dem Lager der Sympathisanten der „Demokratischen Liga Kosova“ schöpfen. Einige Anhänger Rugovas sind schon zu ihm übergewechselt.

Die ehemalige UÇK ist nicht mehr zusammenzuhalten. Der Parteikongress hat das angeschlagene Image von Thaci geliftet und immerhin die eigenen Reihen wieder geschlossen. Bejubelt wurde die Botschaft, die auch von den Dissidenten mitgetragen wird: „Wir wollen die Unabhängigkeit Kosovas.“

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