: Bebrillte Zyniker und pastorale Mahner
Leicht anachronistisch, aber unverändert investigativ: Das Politmagazin „Monitor“ wird heute 35 Jahre alt
Da soll noch einer sagen, nichts wäre von Bestand, schon gar nicht in der nervös-labilen Flimmerkiste. „Monitor“ ist der unwiderrufliche Gegenbeweis: 35 Jahre Fernsehgeschichte – zuverlässig, standhaft und kein bisschen korrumpiert.
Kaum war 1965 der „Beatclub“ als programmlicher Urknall in die Wohnzimmerruhe geplatzt, da startete der WDR mit „Monitor“ ein weiteres politisches Magazin. Eines, das sich anschickte, neben „Panorama“ die Wohlfühlgemüter zu erregen, Unruhe zu stiften und mit aufklärerischer Absicht respektlos gegen Fernsehmuff und Meinungshinterziehung vorzugehen – öffentlich und öffentlich-rechtlich.
Uns passte das trefflich ins eigene, aufmüpfige Konzept. Wenn wir auch am Anfang nicht alles verstanden, uns neue Sehgewohnheiten antrainieren mussten, so war doch eines klar – es bewegte sich was. Und „Monitor“ hat uns über all die Jahre als unbequemer treuer Begleiter in Bewegung gehalten. Dafür sorgten die Macher unter der Leitung des bebrillten Zynikers Claus Hinrich Casdorff (1965 bis 1981), der dünnlippige Analytiker Gerd Ruge (1981 bis 1983) und dann, ab Oktober 1983, der pastorale Mahner Klaus Bednarz.
„Monitor“ blieb stets der investigative Unruhestifter, als der er gestartet war: In den 60ern ließen wir Annäherungsversuche an den Sozialistischen Deutschen Studentenbund (SDS) über uns ergehen, mochten die Protagonisten noch so ernst dreinblicken und bedeutungsschwanger daher reden. In den 70ern nahmen wir mit Casdorff lustvoll Franz-Josef Strauß ins „Kreuzfeuer“ und erfreuten uns an den gefürchteten „Überfallfragen“.
In den 80ern mussten wir fast monatlich unsere Speisepläne umstellen: Was da alles an Umweltthemen an die Oberfläche gespült wurde! Mal waren es Würmer in den Heringen, mal verseuchtes Schweinefleisch, das die Erzeuger in die Pleite und uns in unfreiwillige Diäten trieb.
Und dann war da noch diese Bodenlosigkeit: Das Magazin „Monitor“ macht Satire, ohne sie als solche zu kennzeichnen. Es war die verflixte Lottoglosse, die in der Öffentlichkeit ein mittleres Erdbeben auslöste. Fernsehzuschauer, die an das große Glück glaubten, wurden hinters Licht geführt und Politiker ins Zwielicht gerückt: Die Lottofee Karin Tietze-Ludwig erschien als Erfüllungsgehilfin böser Mächte und Theo Waigel als Rädelsführer eines Mafiakomplotts. „Monitor“ hat diese Stürme allesamt überstanden und dennoch Federn gelassen, ist Teil der Schicksalsgemeinschaft der investigativen Politmagazine geworden.
Die eher spröde Vermittlungspose, Themen und Geschichten jenseits von Fastfood und VIP-Lounges, das Mahnende und Erinnernde wird nicht unbedingt honoriert in einer Fernsehwelt, die zunehmend grell, exhibitionistisch, marktschreierisch geworden ist. Patentrezepte für eine Wiederbelebung sind schwer zu finden – aber wie war das doch gleich mit der belebenden Bewegung, die von Monitor in den Anfängen ausging? Es könnte ja sein, dass auch ein Zuviel an qualitativer Konstanz den Weg verbaut für neue Konzepte. Nichts für ungut, Herr Bednarz. Und herzlichen Glückwunsch, „Monitor“. KARL WACHTEL
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