: Das Kindermädchen
Die Lifestyle-Illustrierte „Men’s Health“ propagiert den Waschbrettbauch und gibt Lebenshilfe für den Mann – aus weiblicher Sicht nicht unkomisch
von BERIT SÖRENSEN
Das Waschbrettbauchmagazin Men’s Health wird diesen Monat fünfzig – nicht fünfzig Jahre, sondern 50 Nummern, ist also rund vier Jahre alt. Chefredakteur Frank Hofmann bilanziert im Editorial der Jubiläumsnummer stolz, dass das Magazin seit Mai 1996 Deutschlands Männerwelt mehr als 55.550 praktische Tips „für Ihre äußere Erscheinung und Ihre innere Stimmungslage, für Ihren Erfolg bei den Frauen, im Sport, im Job und überhaupt im Leben geliefert“ hat. Und die Männerwelt scheint’s nötig zu haben.
Sonst würden sich ja nicht mehr als eine halbe Million Männer allmonatlich wie Vierjährige ermahnen lassen, ihre Sporttasche schon am Abend vorher zu packen, nicht so viel Chips und Schokolade zu futtern und die Bude aufzuräumen, wenn sie Besuch erwarten. Und ihre Joggingschuhe endlich mit Verfallsdatum zu beschriften. Aber Men’s Health ist seinen Lesern nicht nur Kindermädchen. Die Zeitschrift wendet sich an den erwachsenen Mann, der dem kleinen Jungen immerhin das sexuelle Interesse an Frauen voraus hat. Men’s Health klärt seine Leser deshalb über „die fiesen Streit-Tricks der Frauen“ auf, beantwortet Männerfragen wie die, was eine Frau beim Sex wohl denken mag, mit einem „ultimativen Wahrheits-Check für die Gedanken der Partnerin“ und verspricht: „Schamloser Sex: So macht sie (fast) alles.“
Das klappt natürlich nur mit stahlharter Bauchmuskulatur und Tarzanbizeps. Also ab ins Fitness-Center, Bizeps Curls und Trizeps-Training, Kurzhanteldrücken, Push-Backs, Liegestütze, Reverse Curls mit Tubing, Seitheben und Bridging, kurz: „Schuften bis es kracht, und Pause ist ein Fremdwort.“
Danach kann er der Frau im „Beach-Fomat“ und voll strandtauglich entgegentreten. Und sollte er bei der Damenwelt – dank der Baggertips „Wie Sie als Normalsterblicher Göttinnen rumkriegen“ – tatsächlich Erfolg haben, auch dann verlässt ihn Men’s Health nicht, sondern steht ihm mit einem speziellen Frauen-TÜV hilfreich zur Seite und tritt als erfahrener Partnerschaftsberater auf: Ein Gesprächstermin pro Woche, „bei dem alles auf den Tisch kommt“ und die Frau auch einmal ausreden darf, gehöre zu den „34 Geheimnissen erfolgreicher Beziehungen“. Alljährlich lädt Men’s Health eine international besetzte Jury ein, die „die 50 besten Lebensmittel für den Mann“ kürt. Für den männlichen Body sind dieses Jahr Boskop-Äpfel, Möhrensaft, Vollkornbrot, Artischocken und Joghurt besonders gesund, aber auch „Quark . . . ist so richtig was für Männer“. Damen sollten sich demzufolge nur noch auf Delicious, Weißbrot und Erbsen kaprizieren – damit ihnen auf Grund geschlechtsspezifisch verkehrter Ernährung nicht auf einmal ein Bart erwachse – und allen ihren Freundinnen dringend zu Geschlechterseparatismus im Kühlschrank raten. Natürlich wird bei den Ernährungstipps besonders berücksichtigt, welche Lebensmittel potenzfördernd sind, wie überhaupt in jeder Ausgabe eine Reportage dem männlichen Geschlechtsorgan gewidmet ist: „50 Millimeter mehr Penis. Was Sie wissen müssen, bevor sie ihn auf den Tisch legen“, „Sperma – alles was ein Mann wissen muss. Geschmack, Inhalt, Menge, Temperatur, Qualität, Risiken etc.“ Themen eben, die Männer so bewegen. Ist ja auch okay. Und dass jemand Männern erzählt, wie man sich wäscht und eine Reisetasche packt, auch. Aber manchmal wünscht man sich doch, dass die Kameraden mit den Flachbäuchen, die einem an jedem Kiosk vom neuen Men’s-Health-Titelblatt entgegengrinsen, nicht mehr den Gesichtsausdruck von Vierjährigen haben, die so tun, als wären sie schon groß.
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