■ H.G. Hollein: Durchdacht
Die Frau, mit der ich lebe, putzt. Manchmal. Aber dann nach einem durchdachten Plan. Vergangene Woche empfing sie den von des Tages Mühen heimkehrenden Gefährten stolz mit der Frage: „Na, fällt dir was auf?“ In solchen Momenten ist der häusliche Diplomat gefordert. Angesichts einer Batterie lässig im Wohnzimmer verteilter Reinigungsmittel lag der Gedanke an eine umfassende Säuberung desselben nahe. Nur, dass mein gehetzter Blick keine wesentliche Änderung gegenüber dem status quo ante feststellen konnte. Es bedurfte des vorwurfsvoll ausgestreckten Zeigefingers der Gefährtin, bis mir endlich schwante, welche Leis-tung hier vollbracht worden war. „Ich habe den Staubsauger geputzt!“ ward mir denn auch ebenso umgehend wie triumphierend kundgetan. Tatsächlich strahlte das Gerät in bisher ungeahnter Frische. „Das war wohl auch mal nötig“, setzte die Gefährtin nach, um dann hinzuzufügen: „Jetzt muss hier nur noch gesaugt werden.“ Der appellative Subtext dieses Satzes entging mir nicht. Auch im Küchenbereich weiß die Gefährtin mit organisatorischem Überblick Schwerpunkte zu setzen. Derweil ich fürs Großflächig-Grobe zuständig bin – Fußboden, Schränke, Fenster –, widmet sich die Gefährtin mit verbissener Energie unseren drei Dutzend Gewürzgläschen. Das dauert, und so hat die Gefährtin Zeit, ein paar weitere Desiderate zu formulieren. Mit dem Shampoonieren des Flurteppichs etwa könne ich „ja schon mal anfangen“. Das sei ohnehin ein „one-man-job“. Wer bin ich, dem zu widersprechen? Kurzum, ich liebe diese Tage reinigender Zweisamkeit. Besonders, wenn die Katze, die mich duldet, an deren Ende beiläufig um die Ecke kommt, im Flur kurz innehält und dann auf den Teppich kotzt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen