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berliner szenenVon Kitty-Yo zu Twen FM

Orte mit Karma

Es gibt Läden, auf denen lastet ein Fluch. Wer immer dort etwas eröffnet, macht spätestens nach drei Monaten pleite, zerstreitet sich oder hat keine Lust mehr. Und es gibt Läden mit gutem Karma. Wer immer dort etwas eröffnet, hat Spaß und Glück. Und wenn er oder sie auszieht, geht es in größere, hellere und schönere Räume. Solche Orte sind begehrt, wer Zugriff auf sie hat, gibt sie nur an vertrauenswürdige Leute weiter.

Ein kleiner Laden in der Torstraße ist einer von diesen Orten. Bis vor wenigen Wochen residierte hier das Plattenlabel Kitty-Yo, und seit die von der Rosenthaler Straße aus ihre Geschäfte abwickeln, ist der ehemalige Piratensender Twen FM in die Räume gezogen. Nun ist Twen FM eigentlich überhaupt kein Piratensender mehr, wenigstens nicht im klassischen Sinne. Denn wer ihn hören will, muss sehen, will sagen, muss ins Netz gehen. Twen FM heißt zwar noch 95.1, hat dies auch noch in seinem hübschen Logo stehen, ist in Wirklichkeit aber unter www.twenfm.de zu empfangen. In der Torstraße steht keine Antenne auf dem Dach.

Die braucht es auch nicht, denn Twen FM handelt ohnehin nicht davon, gehört zu werden, sondern davon, zu senden. Die Technik stürzt am laufenden Meter ab, die Tonqualität ist nicht besonders gut. Und es ist auch nicht so, dass hier – wie es immer wieder von London erzählt wird – die ersten Anpressungen der neuen, heißen Platten gespielt würden, Tracks, von denen sich die ganze Stadt erzählt, während nur die Piratensender sie spielen.

Ob Twen FM überhaupt jemand hört, ist höchst ungewiss. Hier hängt man ab, bringt seine Freunde mit und macht das, was man am liebsten macht: Musik hören, trinken, schwätzen und sich super finden. Das Bier holt man am Imbiss gegenüber, den Sekt bringt man von zu Hause mit.

Wenn das Wetter schön ist und die Nacht noch jung, schießt man mit den Korken nach den vorbeifahrenden Autos. Wenn es später wird, zieht man sich in die Räume zurück, setzt sich an einen der Computer und schaut sich den jeweiligen DJ, der drei Meter entfernt auflegt, auf dem Monitor an. An der Wand hängt das Cover einer Stevie-Wonder-Platte und ein altes Surrogat-Plakat, das mittlerweile von tags übersät ist, in der Ecke stehen kaputte Plattenspieler.

Und dazwischen sitzen die DJs und ihre Freunde. Die HipHopper rappen ihre Butter-Mutter-Kutter-Reime und dass sie es am allerbesten draufhaben, die 2-Step-Leute tauschen sich darüber aus, wann sie wieder nach London fahren, um die allerneusten Platten zu kaufen. Die Computerleute wundern sich, was jetzt schon wieder schief gegangen ist, und diejenigen die den ganzen Laden organisieren, stellen fest: Niemand hat seinen Beitrag bezahlt, und das Klopapier ist auch alle.

Das macht aber alles nichts. Zwischendurch stecken alle gemeinsam die Köpfe in The Face, schauen sich selbst ins Gesicht, freuen sich, im Mittelpunkt des Interesses der Berlin-Definition des trendigsten Trendmagazins von England zu stehen. Man schaut sich um und nickt: Genau, ist ja hier ein Piratensender, so wie es in London auch welche gibt. RAP

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