kikkerballen: Von der temporären Auferstehung des Verknoteten
Waldemar gibt den Waldemar
Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder verdienen die Moderatoren von ZDF und ARD übers Jahr und relativ gesehen zu wenig oder ganz viel Geld! Weil: diese Arbeitszeiten! Achtunddreißigkommafünf Stunden sind das jedenfalls nicht – für die vom Fußball! EM ist alle vier Jahre und WM alle vier Jahre. Bundesliga und Champions League dürfen sie nicht. Sonst? Olympia, Leichtathletik und hin und wieder Reiten. Meine Güte – an manchen Wochenenden haben die doch nichts zu tun und melden sich aus Verzweiflung von irgendwelchen Bezirksmeisterschaften im Tauziehen oder gar Synchronschwimmen. Oft tun sie rein gar nichts.
Doch, genauso ist es. Ich hab’s mit eigenen Augen gesehen. Es war während eines Champions-League-Spieles in München und im Reporterraum stand Waldemar Hartmann. Er lehnte an einem dieser kleinen Stehtische und starrte besinnungslos vor sich hin. „Zu was bin ich eigentlich auf der Welt?“, schien er zu denken. Seine Augen waren völlig leer und hohl und ins Nichts gerichtet. Und: „Ich bin nur, wenn ich moderiere ...“, schien er demnächst sagen zu wollen. Er sagte es nicht, aber: so sah er aus, der Waldemar. Unter seiner wie betoniert aufragenden Fönfrisur. Die übrigens ist wie er, der Waldemar: so wild aufwallend einerseits und doch extrem gezähmt und domestiziert.
Das ist eine rätselhafte Behauptung, ich weiß, und hängt wohl damit zusammen, dass ich ihn nicht besonders gut leiden kann. Und darum bin ich froh, wenn ich ihn – siehe oben – nicht so oft sehen muss. Momentan ist jedoch EM, und da muss ich ihn wieder sehen. Wie er moderiert und den Waldemar gibt. Den gemütlichen, den handfesten, den „Mit mir kann man Pferde stehlen“-Hartmann. Auf die Tour reitet er schon immer. Schon als er sich lediglich auf Bayern 3 zeigen durfte, in „Sport am Montag“.
Da überschlug er sich immer vor Begeisterung, wenn wer anwesend war von den Münchner Größen: Hoeneß, Lorant, Wildmoser oder gar der Franz. Da verknotete er sich geradezu in dem Bemühen, kritisch zu wirken und gleichzeitig keinerlei Zweifel an seiner immerwährenden bayrischen Loyalität zu lassen. Ein Gezwinkere und Listig-hinter-den-Barthaaren-Hervorgeblitze, ein scheinheiliges Stirngerunzle und beschwichtigend Das-dicke-Händchen-auf-jedermanns-Knie-Gelege, dass es einem den Magen umgedreht hat. So war er, der Hartmann. So ist er, der Hartmann.
Ein falsches Luder – möchte ich wetten! Im Grunde ein Augsburger Bayern-Darsteller. Der Waldi ist bekanntlich Augsburger, und die sind nämlich zwar per Landesgrenze Bayern, aber halt keine Münchner. Deswegen meinen die minderen von ihnen, sie müssten erst recht bayrisch tun. Siehe Hartmann. Beobachten sie ihn einmal, wie er mit den Schultern ruckelt und unternehmenslustig die Patschhändchen aufs Knie stützt ... wie der selige Landesvater Franz Josef. Der hat auch auf den allerersten Blick gemütlich ausgeschaut und konnte dann doch seine latente Bösartigkeit und Hinterfotzigkeit nur schlecht verbergen. Das schimmert irgendwie durch bei solchen Menschen. Drum freut es mich auch nicht wenig, dass der Waldemar, seit er seinen Besen entfernt hat, so einen seltsamen Falz über der Lippe hat. Hat wahrscheinlich irgendwas mit seiner Schlechtigkeit zu tun ... Das war das.
Zur EM sollte ich, glaub’ ich, auch noch was sagen. Logisch hab’ ich mich über das Rumänien-Spiel geärgert. Vor allem wegen der vielen Waschlappen und Maulaufreißer in der Mannschaft, die alles im Vorfeld zu Recht kritisiert haben und dann doch zu feige sind, das Heft in die Hand zu nehmen (hat Jeremies mitgespielt? Erzähl mir bloß keiner, Kahn hätte ein gutes Spiel gemacht!). Trotzdem: Es tut schon weh zu sehen, wie toll die anderen spielen können, und die Unseren sind davon meilenweit entfernt. ALBERT HEFELE
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