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Verhängnisvolles Tropfen

Hanfgärtnerei in Barmbeker Wohnung ausgehoben: Die automatische Bewässerung war übergelaufen  ■ Von Friedhelm Schachtschneider

Das sei auch für die Drogenerfahrene Stadt Hamburg ein „bisher einmaliger Fall“, staunten die Rauschgiftfahnder der Hamburger Kripo. Hinter der unscheinbaren Rotklinkerfassade eines vierstöckigen Mehrfamilienhauses aus den 50er Jahren im Stadtteil Barmbek-Nord entdeckten Polizisten gestern eine zu einer regelrechten Hanf-Gärtnerei umgebaute Zweizimmerwohnung.

Kommissar Zufall hatte den Ermittlern geholfen. Eine Hausbewohnerin im Elligersweg hatte sich gestern Vormittag beim Hausmeis-ter beschwert: Aus der Wohnung über ihr im zweiten Stockwerk tropfte es durch die Decke. Weder der Hausmeister noch die Nachbarn konnten sagen, wer eigentlich in der voll verdunkelten Wohnung („zwei Zimmer, Küche, Bad“) lebte, in der es immer still war.

So wunderte sich der Hauswart auch nicht, als niemand auf sein Klingeln und Klopfen ragierte. Als er die Wohnungstür öffnete, sah er statt Tisch und Bett nur Grünzeug: Alle Zimmer waren vollgestellt mit Cannabis-Pflanzen, die zur Haschisch-Herstellung genutzt werden.

Der Hausmeister alarmierte sofort die Polizei. Die staunenden Beamten entdeckten dann das gesamte Ausmaß der gärtnerischen Mühen in dem Wohnhaus. „Für Hamburg ist es bisher ein einmaliger Fall, dass eine komplette Wohnung zur Cannabiszucht umgerüstet wurde“, sagte Polizeisprecher Hans-Jürgen Petersen am Tatort. Auch die Professionalität des Umbaus sei für die Hansestadt bislang ohne Beispiel.

In der Küche waren in verschiedenen Containern bis zu 60 Setzlinge gepflanzt. Ihre Aufzucht wurde nicht dem Zufall überlassen: Der noch unbekannte Gärtner hatte eine Hightech-Anlage zur Pflege der kleinen Triebe eingebaut. An der Zimmerdecke fuhren Lampen auf Schienen in immer neue Beleuchtungspositionen. Auch die Belüftung und die Bewässerung des grünen Hanfes liefen voll automatisch, gesteuert per Zeituhr. Aber auch ein augenscheinlicher Profi wie der noch unbekannte Mieter der Wohnung setzte offenbar auf fachlichen Rat: Am Wohnzimmerschrank klebten gärtnerische Tipps aus einem „Cannabis Infokurier“.

Im Schlafzimmer fanden die Beamten sechs erntereife Cannabis-Pflanzen. An der gesamten Badezimmerdecke war ein Kunststoffnetz befestigt, in dem rund 30 bereits getrocknete Hanfpflanzen auf die baldige Verwendung warteten. „In dieser Wohnung wurde jeder Quadratmeter zur Cannabis-Aufzucht genutzt“, sagte Petersen. Auch im Schlafzimmerschrank wurden Pflanzen gezogen. In Einbauschränken des Wohnzimmers lagerten säckeweise Dünger und andere Chemikalien, die zur Aufzucht der Pflanzen erforderlich sind.

Allerdings kommt auch eine Hightechanlage wie die jetzt ausgehobene „Barmbeker Cannabiszuchtanstalt“ nicht ohne jede menschliche Kontrolle aus. Es war offenbar ein Defekt in der elektronisch gesteuerten Bewässerungsanlage, der die Erntehelfer von der Abteilung Rauschgiftdelikte des Hamburger Kriminalamtes auf den Plan rief.

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