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„... für'n Appel und ein Ei“

■ Interview mit der Fußballerin Pia Heinrichs über Vorurteile und Chancen im Frauenfußball und über unterschiedliches Training mit Mädchen und Jungen

Wenn die Jungs vom SV Werder Bremen beim Bundesligaspiel ihren Mann stehen müssen, fiebert das ganze Stadion mit. Wenn aber die Frauen von der 2. Damen des ATS Buntentor auf dem Rasen auflaufen, bangt höchstens eine Hand voll Zuschauer am Spielfeldrand. Pia Heinrichs, sportliche Mutter eines zehn Jahre alten Sohnes spielt nicht nur schon lange Jahre selbst aktiv Fußball bei der 2. Damen, sondern trainiert als lizensierte Auswahltrainerin auch Mädchen und Frauen. Die Situation des Frauenfußballs kennt die 31-jährige Wahlbremerin daher nur zu gut.

taz: Frau Heinrichs, mit 14 Jahren haben Sie angefangen, Fußball zu spielen. Wie sind Sie zu diesem Sport gekommen?

Pia Heinrichs: Als Kind hab ich mit meinen Geschwistern oft im Garten Fußball gespielt. Damals fand gerade die WM 1974 in Deutschland statt. Ich wollte immer ins Tor wie Sepp Maier. Mein Bruder hat mir dann gnadenlos die Bälle um die Ohren gedroschen und ständig gesagt: „Wenn du Sepp Maier bist, dann musst du die Bälle auch halten!“ O.k., hab ich gedacht, das schaffst du. Seitdem wollte ich zum Fußball.

Wie haben Ihre Eltern darauf reagiert?

Meine Eltern waren immer dagegen, meine Mutter bis heute. Mit 13 hab ich mir zum Geburtstag von meinen Geschwistern gewünscht, dass ich in den Verein darf. Da war gerade mein Vater gestorben. Die haben meine Mutter überredet, und so hab ich mit 14 im Verein angefangen.

Wie reagieren denn die Eltern heute, wenn ihre Töchter zum Fußball wollen?

Am schlimmsten sind die fußballspielenden Mütter, die Töchter haben. Die sagen ganz oft: „Also meiner Tochter würde ich nicht empfehlen zum Fußball zu gehen.“

Sollten aber nicht gerade diese Mütter ihre Töchter am besten verstehen?

Das sollten sie schon, aber die kennen die Situation beim Frauenfußball nur zu gut. Leistungsspezifisch hast du keine Aussichten. Ob du in der Regionalliga oder auch in der Bundesliga spielst, ganz egal, du hältst deine Knochen hin und wirst nie Geld sehen. Es sei denn, du schaffst es unter die 30 Nationalspielerinnen. Aber die Chance ist verschwindend gering.

Und dann gibt es Geld?

Wie man–s nimmt! Es gibt Nationalspielerinnen wie Birgit Prinz, die können von dem Geld leben. Aber, wenn die Karriere vorbei ist, müssen die meisten trotzdem wieder arbeiten. Letztendlich spielen auch die im Vergleich zum Männerfußball für'n Appel und ein Ei!

Gibt es Nachwuchsprobleme beim Frauenfußball?

Wir haben in den letzten zwei Jahren so viel Teams gehabt wie noch nie. Der Trend geht aber inzwischen wieder zurück. Viele Mädchen springen ab. Die wollen sich nicht an einen Verein binden.

Fußball ja, Verein nein?

Genau.

Sie trainieren hauptsächlich Mädchen, aber auch ein Jungenteam. Was ist anders?

Mit den Mädchen muss ich viel mehr Kompromisse schließen. Die nehmen vieles persönlicher und sind auch nachtragend. Wenn ich ein Auswahlteam zusammenstelle, brauch ich 16 Spielerinnen von 50. Bei denen darf ich nie den falschen Ton wählen, sonst bleiben sie vom Training weg. Ja, dann habe ich kein Team mehr! Bei den Jungs würde keiner auf die Idee kommen, nicht zum Training zu kommen. Denen ist ihr Fußball viel zu wichtig.

Trainieren Sie die Jungs lieber?

Nein, aber ich trainiere sie gerne als Ausgleich zu den Mädchen. Die Jungs sind einfach leichter zu trainieren, weil sie besser mit Kritik umgehen können.

Wird der Frauenfußball in Bremen vom SV Werder unterstützt?

Nein. Die haben aber auch keine Frauen- und Mädchenteams und wollen es auch nicht. Frauenfußball ist ein reines Zuschussgeschäft und wäre bei Werder nur das zehnte Rad am Wagen. Aber dann können wenigstens die kleinen Vereine ihren Schwerpunkt auf den Frauenbereich legen.

Gibt es genügend Sponsoren für den Frauenfußball?

Ja, es gibt schon Sponsoren. Vor allen Dingen kleinere Unternehmen. Nur ist es inzwischen relativ schwer, welche zu finden, die Geld geben können. Vor acht Jahren haben wir eher mal 1.000 Mark bekommen und konnten uns einen neuen Trikotsatz leisten. Heute ist die Hemmschwelle, zu sponsern, viel größer. Wobei es dann noch zusätzlich vermeintlich unattraktiver ist, Frauen zu sponsern als Männer.

Was ärgert Sie am Frauenfußball?

Dass wir uns immer noch mit den alten Vorurteilen abgeben müssen!

Welchen?

Dass Frauenfußball unästhetisch ist. Oder statt für den Frauenfußball Werbung zu machen wird das Thema Lesben und Frauenfußball ausgeschlachtet.

Fragen: Anke Mirsch

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