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In der Wollfaden-Metropole

Ist die Kunst noch ein Bausatz für städtisches Handeln? Zwei Ausstellungen in Köln und Dortmund untersuchen den Realitätsgehalt der Stadt. Das Ausgreifen der Kunst erzeugt urbane Wanderlustvon MAGDALENA KRÖNER

„Weil der öffentliche Raum gar nicht existiert, finden die Kunstwerke keinen Standort, in dem sie ihre Definition erfahren können. Ohne definierten Raum kann sich das Kunstwerk nicht behaupten, und sei es als Einzelnes noch so bemerkenswert“: Orakel wie Bazon Brocks Rede von der Unmöglichkeit des Urbanen und der Kunst stehen in krassem Gegensatz zu gegenwärtigen Kunstereignissen, die sich mit ebendiesem Thema beschäftigen. Zwei aktuelle Ausstellungsprojekte nehmen von unterschiedlichen Marschrichtungen aus Kurs auf die Möglichkeiten künstlerischer Befragung des Urbanen, die bei allem Verzicht auf kohärente Antworten den Brockschen Kurzschluss von Raum und Kunst eindeutig widerlegen. Zur Anwendung kommen zwei Strategien: Die eine dampft das weite Feld der Ideen zur Stadt in der Kunst ein; die andere trägt die Kunst in den öffentlichen Raum und unterzieht ihn so einer Umdeutung.

Die Kölner Initiatoren vom „Schnitt“-Ausstellungsraum – Yilmaz Dziewior, Anette Freudenberger, Corinna Schnitt und Maria Anna Tappeine – haben im Kölnischen Kunstverein ein temporäres Labor eingerichtet, in dem ordentlich im Chemiebaukasten des Städtischen gezaubert wird. Was in den Aktionen vor Ort entstand, gleicht eher einem allmählich wachsenden Agglomerat an Ideen denn einer Ausstellung, die sich entlang musealer Rezeptionskriterien organisiert: Man sollte also besser dabei gewesen sein bei der Kunstattacke Antoine Prums im Kino des British Council, und man sollte sich die Peripherie Kölns erradelt haben mit Boris Sieverts „Büro für Städtereisen“.

Zu den Höhepunkten der jeden Freitag stattfindenden Aktionen zählte der Auftritt des Fotografen-Altmeisters Peter Feldmann. Im hellen Sommersakko dirigierte er gelassen seine Assistenten, bis dreihundert Dias zur Projektion bereit waren. Im lakonischen Ton bereitete Feldmann im überfüllten Kunstverein dann gemächlich seinen philosophischen Bilderkosmos aus. Die Welt als Zahl und Vorstellung – in der Multiplikation, Subtraktion und Addition disparater Zeichen gerät die Wahrnehmung zum Rechenexempel.

Wer bei all dem nicht zugegen war, der muss mit teils kryptischen Arbeiten vorlieb nehmen, was ungleich viel weniger ist. Schön dabei Cosima von Bonins Flaggen aus „Hash Country“ oder die niedliche Wollfäden- und Spielzeugautostadt Moshekwa Langas, in der er klischierte Metropolenkonzepte entlarvt. „Temporal Distance (with a criminal intent)“ verweist auf die permanente Präsenz von Gewalt in den nur scheinbar sauberen, geordneten Städten, wie im hermetisch segregierten Johannesburg, aus dem Langa stammt, oder im New York Giulianis.

Die Institution Kunstverein öffnet sich dem Experiment; fraglich ist aber, ob das artistisch-ästhetische Nachdenken über die Stadt in diesem Rahmen ein neues Publikum erschließen kann. Tatsächlich entpuppen sich die leicht sterilen Laborbedingungen als nur bedingt tauglich, um neue Ansätze hervorzubringen, befindet sich doch die Kunst unverändert im musealen Schutzraum, womit sie wieder „out of space“ ist, völlig losgelöst.

Doch auch ein werkimmanentes Problem tritt deutlich zutage: Das Ideengut von Stadtplanung, Urbanistik und Architektur ist nicht automatisch per Reproduktion ins Kunstwerk transportierbar, wie der Container „Studio 2000“ von David Goldenberg und Andrea Knobloch zeigt. In einer Fülle von Schaubildern, Dias und Texten wird an eine nostalgisch anmutende Form städteplanerischen Utopismus angeknüpft, der das Neue aus dem Nichts erfinden und architektonisch setzen wollte. Originäre Definitionsmacht besitzen bei „Out of Space“ maßgeblich die Positionen, die das Urbane im surrealen Moment absorbieren, wie Thomas Bayrles „Stadt“ – eine Skulptur, in der die Fragmente eines Gesichts architektonische Strukturen nachbilden.

Anders als in Kölns blendend weißem Kunstverein geht es in Dortmund ein bisschen schmutziger zu. Die Initiatoren von „Plan B“, Iris Dressler und Hans D. Christ von den Dortmunder hARTware-Projekten, haben 16 Künstlerinnen und Künstler aus Frankreich zu Aktionen eingeladen. Im Zentrum steht hier das Ausgreifen der Kunst in die Stadt abseits vom theorielastigen Modell, was ganz neue Erlebnisse von Wanderlust in der Dortmunder City hervorbringt. Es entsteht ein reizvoller Parcours aus wuchernder Nachkriegsarchitektur, Restposten urbaner Hässlichkeit und immer wieder Brachland, das die kommerzielle, ahistorische Versiegelung jäh unterbricht.

Im unmittelbaren künstlerischen Eingriff vollzieht sich die Okkupation des öffentlichen Raumes, findet Kunst zurück zur Fähigkeit, die Semantik der Stadt zu verändern. So integrieren „Die Ringe“ Veit Stratmanns, eine fahrbare Skulptur aus kreisförmig miteinander verschweißten Stühlen, ein spielerisches Element im funktionalistischen Raum der Bahnhofsunterführung. Ein Privatraum wird geentert und für öffentliche Singspiele missbraucht: „Karaoke – Ein Heimatabend in der Fremde“ von Natacha Nisic und Herbert Schwarze.

Natürlich diente das Podium zum Thema „In oder out – Kunst im öffentlichen Raum“ auch wieder dazu, über die Existenzberechtigung einer solchen zu streiten. Diskussionsbedarf besteht unverändert: als Beleg für die Notwendigkeit und Vitalität einer urbanen Kunst. Projekte wie Out of Space und Plan B thematisieren die Stadt, indem sie die Veränderlichkeit von Raum und Öffentlichkeit als selbstverständlichen Modus operandi in einen durchlässigen Kunstbegriff fassen.

„Out of Space“, Kölnischer Kunstverein; „Plan B“, „Dortmund – Innenstadt“ (beide bis 2. 7.)

Hinweis:Orakel wie Bazon Brocks Rede von der Unmöglichkeit des Urbanen und der Kunst

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