: Ärger in der Box
Die ARD klagt vor dem Europäischen Gerichtshof gegen Kirchs Allianz mit Rupert Murdoch – doch die Schlacht ums Pay-TV ist längst geschlagen
von HANS G. NAGL
Mattschwarz, 38 Zentimeter breit, knapp acht Zentimeter hoch. Hellgrünes Display und drei Knöpfe hinter einer Klappe – so sieht das Ärgernis aus. Zumindest in den Augen der ARD, die am Dienstag vor zwei Wochen beim Europäischen Gerichtshof gegen die Kooperation der Medienunternehmer Kirch und Murdoch im Bezahlfernsehen geklagt hat.
Materiell manifestiert sich diese Allianz in dem kleinen Kästchen d-box, das derzeit Deutschlands etabliertester Decoder für das digitale Fernsehen ist (siehe Kasten).
Die ARD befürchtet ein Zugangsmonopol der beiden Medien-Mogule. Vor allem aber sieht sich der Sender selbst benachteiligt: Teile seines Digital-Angebots werden von der Box angeblich nicht unterstützt. Doch manch einer vermutet, dass die Klage eher einen ideologischen Zweck verfolgt. 18 TV-Kanäle der ARD plus ihr Hörfunkangebot laufen derzeit problemlos über die d-box. „Das ist aber nicht das Entscheidende“, sagt ARD-Sprecher Jan Büttner. Vielmehr unterstütze der Decoder die zusätzlichen Service-Angebote der ARD nicht. Hierzu zähle zum Beispiel das „elektronische Lesezeichen“. Mit dieser Funktion kann der Nutzer sein Interessen-Profil festlegen. Im Falle einer passenden Sendung macht der Decoder den Zuschauer aufmerksam oder startet den Videorecorder. „Nur so lassen sich 200 Kanäle sinnvoll erschließen“, meint Büttner.
Aber auch der „Online-Kanal“, ein Art weiterentwickelter Videotext, wird von der Kirch-Plattform nach den Worten des Sprechers nicht unterstützt. Falsch, sagt man im Hause Kirch. „Es hat keine erkennbaren Bemühungen der ARD gegeben, ihre Lesezeichen auf der d-box laufen zu lassen“, schiebt Johannes Schmitz, Sprecher der Kirch-Gruppe, den schwarzen Peter zurück.
„Andere Anbieter haben mit ihren Programmführern keine Probleme – man muss aber wollen.“ Bereits Anfang 1999 habe man die Voraussetzungen für die ARD-Zusatzangebote geschaffen. Der knapp 25-prozentige Einstieg Murdochs beim Kirch-Bezahlfernsehen sei von der EU im März nur mit der Auflage genehmigt worden, Anbieter nicht zu diskriminieren. Schmitz sieht in der Klage ein Echo der „Schlachten vergangener Jahre“ und sagt: „Auch die Juristen der ARD werden wissen, dass sie über keine realistische Erfolgschance verfügen.“
Das ZDF, der öffentlich-rechtliche Bruder der ARD, schloss sich der ARD-Klage erst gar nicht an. Zu den Gründen hierfür mag zwar in Mainz keiner Auskunft geben. Aber man stellt klar, dass es keine unüberwindbaren Probleme bei der Umsetzung der ZDF-Zusatzdienste auf dem Kirch-Decoder gibt. „Für die erste Generation der d-box haben wir mittlerweile eine Lösung gefunden“, sagt Sender-Sprecher Walter Kehr. Ohnehin wird es nach Meinung aller Beteiligten etwa zwei Jahre dauern, bis ein Urteil da ist.
Bis dahin soll aber längst MHP (Multimedia Home Platform) das Standard-Betriebssystem für Decoder sein. Dieses ist vom Hersteller unabhängig. Kirch hat der EU die MHP-Unterstützung zugesagt und wird sie angeblich bis Mitte 2001 einführen. Sollte das so kommen, wäre eine Entscheidung der EU-Richter – wie auch immer sie ausfallen mag – so unnötig wie ein Kropf. Bleibt die Frage nach dem Sinn der Klage.
Branchenkenner verweisen immer wieder auf die Tatsache, dass die ARD auch in der F.U.N.-Allianz, dem d-box-Konkurrenten, engagiert ist. Andere sehen in der Klage vor allem den Versuch, Kontrolle über die Software-Entwicklung der d-box auszuüben. Angesichts der horrenden Beträge, die alleine Kirch bislang in den Decoder gesteckt hat, ein dreister Anspruch.
Für die Decoder-Nutzer seien die Programmführer bislang auf alle Fälle nahezu irrelevant. Die Technik werde letztlich für einen ideologischen und politischen Kampf missbraucht, sagt einer: „Das Ganze ist eine Geschichte für den Kindergarten.“
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