■ H.G. Hollein: Bestechend
Die Frau, mit der ich lebe, hat eine Schwester. Die hat einen Freund. Beide wohnen in Hannover. Dort ist A., der Freund, so was wie der Knöllchenkönig. A. kann sich das gar nicht erklären. Ich jetzt schon. Wir waren nämlich zusammen im Urlaub. Auf einer griechischen Insel. Auf der gab es einen – in Worten: einen – 30 Meter langen Halteverbotsabschnitt. Dort parkte A. unseren Mietwagen. Ich fand das keine gute Idee. Zumal der diensttuende Schutzmann seinen Block schon in der Hand hatte. A. ist Berber, und wie er selbst bekundet, sind seine Vorstellungen vom Umgang mit der Obrigkeit eher bakschisch-geprägt. Ich fand es trotzdem keine gute Idee, den Strafzettelaussteller zu fragen, wieviel ein griechischer Polizist denn so im Monat verdiene und dabei beiläufig mit einer 5.000–Drachmen–Note zu wedeln. Die Augenbrauen des derart Angesprochenen zogen sich merklich zusammen, und wenn mich nicht alles täuscht, hatte der zu zahlende Betrag auf seinem Block auf einmal eine Null mehr. A. wurde ob dieses formalistischen Beharrens auf Recht und Ordnung leicht ungehalten. Als nächstes fragte der Beamte auf Englisch nach A.s „Vaternamen“. Tatsächlich wollte der Mann nur wissen, welches der drei arabischen Phoneme, die A. ihm angegeben hatte, der Nachname sei. Mir war das klar, aber bevor ich A. dahingehend beraten konnte, platzte er raus: „Ey, Mohammed, Mann!“ und schob noch ein paar berberische Laute nach, die verdächtig obszön klangen. Und wieder senkte sich der Kugelschreiber auf die Strafsumme hinab und verlängerte sie um einen weiteren Kringel. Daraufhin hielt ich es für dringlich geraten, das Dokument schnellstens entgegenzunehmen, A. ins Auto und uns mit demselben umgehend außer Sicht zu bringen. Mit umgerechnet 128 Mark für einmal Falschparken dürfte A. einen neuen griechischen Rekord aufgestellt haben. Andererseits: versuchte Beamtenbestechung und Beleidigung mitgerechnet, kann man nun wieder nicht meckern.
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