: Bremerhaven bald ohne Hauptzollamt?
■ Bremerhaven gegen den Rest der Welt: In der Seestadt regt sich Protest gegen das Vorhaben von Bundesfinanzminister Eichel, bei den Hauptzollämtern aufzuräumen
Wenn es um das Hauptzollamt geht, müsste die Geschichte eigentlich in Bremerhaven beginnen. Wo Lokalpolitiker, Wirtschaftsbosse und Zöllner für den Erhalt ihrer Zollverwaltung Alarm schlagen.
Die Geschichte beginnt trotzdem im fernen Bonn – auf dem Schreibtisch von Siegmar Kunas. Da ist die Sintflut ausgebrochen: Rund 60 wütende Protestbriefe wurden auf den Tisch des Abteilungsleiters anfangs täglich angespült. Für das Chaos sorgen seit Anfang Juni die Pläne aus dem Bundesfinanzministerium: 42 Hauptzollämtern soll es an den Kragen gehen. Die Vorschläge für die Massenschließungen kommen aus den Oberfinanzdirektionen (OFD), begleitet von entsprechenden Lokal-Protesten. Die Kunas wiederum in einer kleinen Welle von „wohlgesetzten Worten“ in Form von Zwischenbescheiden zurückschwappen lässt. Bis eine endgültige Entscheidung Ende Juli fällt.
Im Finanzministerium spricht man von „harter Strukturbereinigung“. Übersetzt heißt das: 700 Millionen Mark einsparen. Vor allem am Personalbestand. Die Hälfte der 84 Hauptzollämter will Finanzminister Hans Eichel auflösen, zusammenlegen, um in drei bis fünf Jahren klar Schiff und mehr Geld zu haben.
So einfach ist das nicht zu machen, protestiert nicht nur Bremerhaven. Das in den letzten Jahren immer mal wieder um die Existenz seiner Hauptzollverwaltung bibbern musste und nun wieder auf der Abschussliste steht. Statt Oldenburg künstlich zum zentralen Küstenhauptzollamt hochzupushen, wäre Bremerhaven der bessere – weil küstennähere – Standort für den Verwaltungshauptsitz, erklärt der Lokal-Pakt aus Wirtschaft und Politk. Mit dabei: Der Vizepräsident der Industrie und Handelkammer, Ulrich Nußbaum, der größte Auto-Umschläger vor Ort, Egon Harms, plus selbstredend Oberbürgermeister Jörg Schulz (SPD).
Aber was hat Oldenburg was Bremerhaven nicht hat? Die Küste kann es nicht sein. Zentralität aber hat es, erklärt Ingo Harms, Gruppenleiter bei der OFD: Von der Ems bis zur Elbe soll Oldenburg die Oberaufsicht über Küste kriegen. So muss kein Emdener bis nach Bremerhaven umziehen, der womöglich klagen könnte. Größe soll Oldenburg in Zukunft auch haben. Der innere Kreis der Hauptverwaltung in Fishtown mit 36 Arbeitskräften war der OFD zu klein. Deshalb Großreinemachen und Oldenburg-Ausbau. Ausgerechnet. Über 400 Zöllner sollen in die Hunte-Stadt Oldenburg versetzt werden, um dort schlussendlich 700 Arbeitskräfte im ganzen Zollbereich zu vereinen. „Man schiebt denen erst neue Aufgaben zu, dann das Personal hinterher“, schimpft der Gewerkschafter Rolf Behrens. Dessen Grenzaufsicht Oldenburg zugeschlagen wird.
Wäre Oldenburg nicht Niedersachsen und Bremerhaven nicht Feindesland – die Entscheidung im Hannover-Sitz der OFD wäre anders gefallen, glauben Behrens und ÖTV-Kollege Thomas Rippel. Und veranschlagen die Fachargumente auf Bremerhavens Seite: das einzige Zollamt mit starkem Aufwärtstrend. „Hier hat der Zoll Zukunft.“ Nicht im Binnenland. Um das dem Finanzpräsidenten klar zu machen, lud man zur Personalversammlung nach Bremerhaven ein. Aber Herr von Alm kam erst gar nicht. Auch kein Vertreter. Seitdem schimpfen alle auf die niedersächsische OFD.
Aber was hat Bremerhaven eigentlich zu verlieren? Konkret: die Verwaltungsspitze samt 36 Arbeitsplätze. Schwerer wiegt die verpasste Chance, durch so was wie niedersächsische Intrigen nicht selbst zum Küstenhauptzollamt zu avancieren. Und dann groß ausgebaut zu werden. Denn das mit den Arbeitsplätzen ist eher eine Frage von Verschiebestrategien. Die 36 potenziellen Umzieher können den Bedarf beim Zollamt Bremerhaven oder beim Hauptzollamt in Bremen unterbringen, glaubt Ingo Harms (OFD). Falsch, kontern die Gewerkschafter: Nicht jeder Dienstgrad kann so einfach anderen Zolldienst tun. Wie viele Mitarbeiter das trifft, lässt sich aber nicht ermitteln.
Und auch bei der Zollabfertigung selbst bleibt alles so wie in den Jahren zuvor. Nur dass die Chefs den Ort wechseln. Wichtige Entscheidungen, Bewilligungen für den Zoll würden dann aus der Ferne kommen, knurrt das Bündnis. Und das bedeute im Hafen, „wo es um Stunden, nicht um Tage geht“, pure Zeitverschwendung. Tatsächlich funktioniere die Kommunikation zwar auch per Telefon, Fax und in Zukunft verstärkt per Computer – „aber es wird dadurch nicht einfacher“, glauben die Gewerkschafter.
Zweifel hat Ingo Harms deshalb nicht an der Richtigkeit seiner Abschussliste. Und auch nicht an dem Wunsch von Finanzminister Eichel, der die erbetenen Vorschläge der OFDs schnell umgesetzt sehen will. Dem Bündnis läuft indes langsam die Zeit davon. Bremerhavens Bürgermeister Jörg Schulz hat noch einen Telefontermin mit der Staatssekretärin. Und dann steht auch schon bald die offizielle Entscheidung an. pipe
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