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Reden ist Asyl, Schweigen ist Folter

Ouro-Adjele Tchao soll in die westafrikanische Militärdiktatur Togo abgeschoben werden. Er war zwar politisch aktiv, aber nicht auffällig genug. Und er ist nicht der einzige  ■ Von Sandra Wilsdorf

Manchmal entscheidet, ob jemand sich gerne öffentlich präsentiert oder lieber nach innen wirkt, wo er leben darf. Manchmal entscheidet, ob jemand ein Kind hat, ob er in dem Land seiner Wahl bleiben darf. Ouro-Adjele Tchao steht nicht gerne in der Öffentlichkeit, und seine Frau und er haben keine Kinder. Deshalb muss der 33-Jährige heute nach Togo ausreisen. Der Togolese hat neun Jahre in Pinneberg gelebt und sich in exilpolitischen Organisationen Togos engagiert.

Der gelernte Tischler hat von Hamburg aus zunächst eine togolesische Exilgruppe in Bayern mitbegründet und später die norddeutsche Sektion der „Perspective Togo e.V.“. Dabei ist er aber nie als Chef, nicht als exponierter Redner oder charismatischer Führer aufgetreten. Und das wird ihm jetzt zum Verhängnis. Er war Mitbegründer, Schatzmeister, Kommissionsvorsitzender, hat eher in die Partei hinein gewirkt. Deshalb, so argumentiert das Verwaltungsgericht, „wird er mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit in Togo nicht politisch verfolgt werden“. Deshalb muss er gehen.

Das Gericht gründet sein Urteil unter anderem auf Erkentnisse des Auswärtigen Amtes und des Institus für Afrikakunde, wonach die Regierung Togos kein Interesse daran hat, Leute wie Tchao zu verfolgen. Denn er sei nur einer von vielen politisch Engagierten, keine exponierte, bekannte Persönlichkeit. Deshalb werde ihm nichts passieren.

Das sieht Tchao anders. Er schläft nicht mehr, führt Selbstgespräche. Sein Arzt hat ihm attestiert, dass er unter Depressionen leidet. Tchao hat Angst vor der Rückkehr in sein Heimatland, das seit Jahrzehnten von einem Diktator regiert werde. „Die beobachten uns hier, denen ist alles bekannt. Vermutlich komme ich sofort vom Flughafen ins Gefängnis.“ Sein Anwalt Arno Köppen sagt: „Er ist sehr wohl etwas Herausragendes, ist der Verbindungsmann der Bewegung zwischen Hamburg und Bayern.“

Auch für Amina Issa-Kasim, Tchaos Ehefrau, sieht es nicht gut aus. Sie hatte jahrelang gehofft, ihr Mann würde zurück nach Hause kommen. Aber Anfang des Jahres hat sich die Lage in Togo verschärft. Auch sie, selber politisch aktiv, floh nach Deutschland. „Sie ist direkt nach Sachsen-Anhalt verteilt worden“, klagt Amadou Diallo vom Pinneberger Diakonieverein Migration.

Er setzt sich für Tchao ein: „Er arbeitet seit sieben Jahren in einer Baumschule, hat nie einen Pfennig Sozialhilfe bekommen, nie eine Straftat begangen, und er ist in seiner Organisation sehr aktiv.“ Wenn Tchao nicht als politische Verfolgter anerkannt wird, so könnte er doch unter die Altfallregelung fallen. „Er erfüllt alle Voraussetzungen.“ Nur weil er und seine Frau keine Kinder hätten, würde ihnen das Bleiberecht verweigert. Tchaos Frau hatte eine Fehlgeburt.

Ähnlich wie Tchao geht es auch seinem Landsmann Celestin Ablam. Er ist fast neun Jahren in Deutschland. Er lebt in der Nähe von Rellingen und ist Beauftragter für Öffentlichkeitsarbeit bei der „Perspective Togo“. In seiner Heimat wurde er gefoltert, aber auch seine politische Arbeit ist nicht exponiert genug. Zu einem Altfall fehlen ihm Frau und Kinder.

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