VERKAUFT DER KANZLER AUCH NOCH DIE RENTE AN DIE PDS?: Die Sowjets kommen
Die Union kriegt sich nicht mehr ein. Gerhard Schröder hat mit der PDS verhandelt, um für seine Steuerreform eine Mehrheit zu bekommen. Ein Anschlag auf die Demokratie sei das, empören sich CDU und CSU, einfach unglaublich, schamlos, skrupellos. Und jetzt hat die SPD die PDS auch noch ganz offiziell zum nächsten Konsensgespräch über die Renten eingeladen. Ungeheuerlich! „Schröder verkauft die Rentner an die PDS“, findet CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz. Nicht nur die Rentner, liebe Christdemokraten, Schröder verkauft die freiheitlich-demokratische Grundordnung gleich mit. Unser ganzes Land verhökert er an diese Kommunisten! Die Sowjets sind wahrscheinlich schon auf dem Weg nach Berlin.
Seit 1989 grenzen CDU und CSU (mit langjähriger Unterstützung von SPD, FDP und Grünen) die PDS aus. Zur Begründung ihrer Strategie, wenn man das Empörungs-Gestammel ausnahmsweise mal so bezeichnen darf, ist ihnen in all den Jahren jedoch kein einziger vernünftiger Gedanke gekommen. Die Union hat mit so wenig Substanz zwar die Bundestagswahlen 1994 gewonnen, aber ansonsten die PDS nur stark gemacht. Man darf das CDU und CSU ruhig vorwerfen. Gleichzeitig soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass sie mittlerweile selbst nicht mehr so recht an den Nutzen ihres Ausgrenzungskurses glauben. Vor ein paar Wochen hat die Unionsfraktion zum ersten Mal gemeinsam mit der PDS einen Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht. Trotzdem werfen CDU und CSU Schröder Skrupellosigkeit vor und tun damit immer noch so, als gäbe es einen Grund, die PDS zu fürchten. Es gibt aber keinen. Die Sozialisten sind links, langweilig und konservativ.
Schröder hat das von ihm bis dahin selbst verteidigte Tabu, mit der PDS auf Bundesebene nicht zu verhandeln, ganz beiläufig gebrochen. Das ist nicht skrupellos, sondern vernünftig. Schröder nimmt damit die Realität zur Kenntnis, dass die PDS im Bundestag und in Mecklenburg-Vorpommern in der Regierung sitzt. Aufregen kann man sich darüber, dass der Schachzug des Kanzlers die reine Machtpolitik ist. Wenn es ihm hilft, wird er die PDS beim nächsten Mal auch wieder ausladen.
Dabei könnte Schröder gerade jetzt lernen, dass eine Strategie des Wandels durch Annäherung gegenüber der PDS Erfolg verspräche. Die Genossen aus dem Osten haben sich ja fast ein zweites Loch in den Hintern gefreut, nur weil der Bundeskanzler sie zum ersten Mal in seinem Büro empfangen hat. Und dann auch noch zu einem richtigen Gespräch! So leicht kann manchmal das Ankommen im Westen sein. Es tut nicht mal weh. JENS KÖNIG
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