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Das schönste Rathaus der Welt

■ Zwischen Kontinuität und Ausnahme-Bau: Stadtplaner und Kunsthistoriker diskutieren die Schönheit Hamburgs

Die HamburgerInnen halten sich viel darauf zugute, in einer schönen Stadt zu leben – aber warum kümmert sich keiner darum, wie die Flugzeug-Montagehallen im Mühlenberger Loch einmal aussehen werden? Diese Frage stellte der Moderator Günter Burckhardt am Mittwochabend im Architektur-Centrum bei einer Podiumsdiskussion über „die schöne Stadt“ und den Beitrag der Architektur zum Städtischen. Fazit: Schönheit entsteht im Spannungsfeld zwischen dem Widersprüchlichen und dem Einheitlichen, in einer Kombination aus der Fortschreibung der Stadtgestalt und aus Akzenten.

Auch das Hässliche kann dazu einen Beitrag leisten – wie in der Debatte zwischen Volker Plagemann von der Kulturbehörde, dem Dortmunder Stadtplaner Peter Zlonicky und dem Hamburger Kunsthistoriker Hermann Hipp deutlich wurde – Hauptsache, es trägt zu einem aufregenden Ensemble bei. Die geplanten Dasa-Bauten – 50 Meter hohe und 800 Meter lange Profilblech-Hallen – tun das nicht. Der Hafen tut es. Denn im Hafen passiert etwas; er ist feingliedrig und lädt zum Schauen ein, wie in einem viel kleineren Maßstab auch das Rathaus. Für Hermann Hipp ist es „das schönste Gebäude der Welt“: ein „Ausbund planerisch gedachter funktionaler Komplexität.“

Hipp ist sich im Klaren darüber – und im Saal ist es zu spüren – dass andere das Rathaus für Kitsch halten, dass es heutzutage viele Auffassungen von Schönheit gibt. Hipp: „Zwischen dem Bauhaus und der Kathedrale von Chartres gibt es keine begriffliche Brücke.“ Zugleich weiß er, dass das Schöne am Städtischen das Gegenteil vom Monotonen ist und dass Urbanität von der Koexistenz des Gegensätzlichen lebt. Als „sinnlich wahrnehmbarer Ausdruck von Stadt“ muss die Architektur diesen Gegensatz spiegeln.

Für eine Stadt wie Hamburg, die sich, worauf Volker Plagemann hingewiesen hatte, durch eine bürgerliche Baukultur und das fast vollständige Fehlen von Herrschaftsarchitektur auszeichnet, ergibt sich in dieser Hinsicht eine besondere Gefahr: „Das Bürgerliche tendiert zum Kleinbürgerlichen“, warnte Hipp. Wenn die Ausnahme zur Norm wird, sieht die Stadt piefig aus.

Was sie braucht, sind also Ausnahmebauten, die, wie es Zlonicky in den Industrie-Ruinen des Ruhrgebiets vorgemacht hat, nicht für eine Nutzung durch Menschen konzipiert sein müssen. Und es braucht eine ständige Debatte über die Qualität des Städtebaus. Das Architekturmodell, das zurzeit am Stephansplatz ausgestellt wird, kann dabei helfen. Dort könnte man doch mal die Dasa-Hallen einbauen, schlug Hipp vor, um die Wirkung dieser monotonen Monster zu testen. Gernot Knödler

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