: Feuriger Rumpelzauber
Nach dem 3:0-Sieg über die Niederlande freut sich der deutsche Fußballnachwuchs vor dem heutigen Match gegen Kroatien über abrupt verstummte Kritiker und sucht nach Zukunftsperspektiven
von FRANK KETTERER
Ganz so schnell wollte Uli Stielike denn doch nicht zur Tagesordnung übergehen. Schließlich gab es da schon noch ein paar Dinge, die der Mann vom DFB unbedingt ansprechen wollte. Zum Beispiel, dass die Mannschaft intakt sei, die da unter seiner Führung bei der U-18-Europameisterschaft im eigenen Land der schweren Mission nachgeht, das angekratzte Image des deutschen Fußballnachwuchses aufzupolieren. Oder, und mindestens ebenso wichtig, dass diese intakte Mannschaft sich auch von der Presse nicht kaputtmachen lasse, ganz egal wie häufig da noch von Rumpelfußball die Schreibe sei und davon, dass selbst der Nachwuchs schon rumple, gerade wie die Herren Millionäre aus der A-Nationalmannschaft kürzlich in Belgien und Holland.
Bei solchen Dingen kann der Ton von Uli Stielike richtig scharf werden – und beinahe in Vergessenheit geraten, dass da aus dem „Rumpel-Rumpel“ (Bild) gerade „Zauber-Zauber“ (nochmals Bild) geworden war, weil die deutsche Mannschaft wohl in der Tat intakt ist und der düsteren 0:1-Pleite zum EM-Auftakt gegen die Ukraine flugs einen strahlenden 3:0-Triumph über die Niederlande hatte folgen lassen. Rein rechnerisch sogar ins EM-Finale kann es der DFB-Nachwuchs plötzlich wieder bringen, bei einem Sieg heute in Stuttgart gegen Kroatien (11 Uhr) hat er zumindest das Spiel um Platz drei sicher und damit die Qualifikation zur U-20-Weltmeisterschaft im nächsten Jahr in Argentinien.
Die Spieler selbst kosteten ihre zumindest in der zweiten Halbzeit zur Gala gewordene Vorstellung gegen die Niederländer als Genugtuung aus. „Wer Holland 3:0 vom Platz fegt, ist vielleicht doch nicht so schlecht“, vermutete Abwehrchef Michael Zepek später. „Wir haben gezeigt, dass der deutsche Nachwuchs doch Fußball spielen kann“, stellte auch Benjamin Auer fest, derweil Stürmerkollege Christian Tiffert geradezu staunend vor dem eigenen Werk stand. „Ich habe nicht gedacht, dass wir so gut spielen können“, gab der Berliner ganz unumwunden zu.
Gelungen ist der Mannschaft das, weil zu der schon gegen die Ukraine klar erkennbaren taktischen Grundordnung gegen die Holländer plötzlich spielerische Elemente von für deutsche Kicker überraschend großem Ausmaß hinzugekommen waren. „Was da an Spielfreude abgelaufen ist, war wie ein Feuerwerk“, lobte Trainer Stielike, der nun „liebend gerne jedes Spiel so spielen lassen“ würde. Der Wunsch wird wohl vorläufig nicht in Erfüllung gehen, zumindest befürchtet das Dietrich Weise. „Die zweite Halbzeit gegen Holland war schön, aber sie entspricht nicht dem wahren Leistungsstand“, befand der DFB-Jugendkoordinator, der Schwarzmalerei schuldig wollte Weise sich damit freilich nicht machen. „Wir sind nicht schlechter oder besser als andere Nationen“, schob er eilig nach.
Das ist ja schon mal was, und also wird es darauf ankommen, was in Zukunft geschieht mit den zarten Pflänzchen des deutschen Fußballnachwuchses, damit diese wachsen und gedeihen können und möglichst große Früchte tragen bei der WM 2006 im eigenen Land, dann als A-Team.
„Von Seiten des DFB werden uns optimale Rahmenbedingungen geboten“, sagt dazu Mannschaftskapitän Michael Zepek, in erster Linie in der Pflicht sieht er nun die Vereine. „Die müssen die jungen Spieler spielen lassen“, fordert der Badener. Ein Appell, den Uli Stielike schon vor der EM losgelassen hat – zumindest bei seinen Spielern scheint er offene Ohren zu finden. Zepek zum Beispiel hat gerade so manches Angebot von Zweit- und auch Bundesligisten abgelehnt und sich für einen Verbleib beim Karlsruher SC entschieden – in der Regionalliga. „Wenn ich da 34 Spiele mache, ist das besser, als wenn ich bei einem Bundesligaverein 20 Mal auf der Bank sitze“, sagt der Karlsruher. Dass ihm die ein oder andere Mark durch die Lappen geht, scheint ihn nicht weiter zu kümmern: „Mit 19 Jahren darf man noch nicht so aufs Geld schauen“, findet er.
Eine Sichtweise, die auch Christian Tiffert vertritt, der gerade vor einem Wechsel von der endgültig zum Regionalligisten degradierten Tennis Borussia aus Berlin zum VfB Stuttgart steht. „Dort stimmt das Umfeld“, erzählt er von seinem neuen Verein, das habe er ausgiebig geprüft, schließlich gehe es um seine Perspektiven. „Die habe ich beim VfB“, sagt Tiffert, bei anderen Klubs glaubt er die ganz offenbar weniger existent: „Mit 18 zu den Bayern zu wechseln, wäre doch Schnickschnack. Mit 18 muss man spielen.“
Deutschland: Starke ( Leverkusen) – Siegert ( Wolfsburg), Zepek (KSC), Kling (Bayern), Gemiti (Frankfurt) – Balitsch (Mannheim), Laubinger (Hertha), ab 46. Lauth (1860), Mikolajczak (Schalke), Burkhardt (Leverkusen), ab 46. Teber (Mannheim) – Jungnickel (Hertha), ab 46. Tiffert (TeBe), Auer (Mönchengladbach) Niederlande: Varkevisser – Akerboom, Knol, Hoekstra (57. de Windt) – Olfers, van Dieren, van der Vaart, Boutahar (71. Kolder) – de Visscher, Houwing, Hersi (46. Mustapha) Zuschauer: 11.000; Tore: 1:0 Balitsch (37.), 2:0 Lauth (77.), 3:0 Auer (79.)
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