■ H.G. Hollein: Schön & tief
Die Frau, mit der ich lebe, möchte dieses und jenes. Ein renoviertes Bad oder einen gekachelten Küchenfußboden. Da trifft es sich gut, dass es jetzt den Internetdienst „baumarkt.de“ gibt. Da wird einem geholfen. Umsonst. Das ist gut. Aber „von Fall zu Fall“ werden einem die „Heimwerker-Ratschläge“ auch schon mal mit ein paar gereimten Zeilen „versüßt“. Und das liest sich dann so: „Für's Bad werden zurecht gepriesen, solide, chice, deutsche Fliesen!“ Das ist von einem inneren Rhythmus getragen, ja, von einer zarten Konkretheit der Bildsprache, wie man sie von einem Durs Grünbein bisher noch vergebens erwartet. Von kunstvoll gebrochener Metrik zeugt auch die wie beiläufig hingeworfene Sentenz „Sind im Schlafraum die Wände kalt, verflüchtigt sich die Lust sehr bald!“ Wie kostbar flüchtig schwebt hier die Metapher und visualisiert – nur kurz im Grotesken aufblitzend – unser ganzes postmodernes Bezie-hungselend in zwei vermeintlich kargen Zeilen. Aber „baumarkt.de“ beherrscht auch die leichten Töne. Etwa zum Problem einer schiefhängenden Duschwand: „Die schönste Schiebewand nichts nützt, wenn es durch dieselbe spritzt.“ Da haben wir es endlich wieder! Seit Wilhelm Busch ist das situative Verhängnis nicht mehr so feingetupft, so ironisch-desperat an uns herangetragen worden. Oder die lakonische Resignation in einem Vers wie „Ist der Marmorboden fleckig, wirkt es so, als sei er dreckig“. Erstaunlich, ja geradezu erschütternd, dass dies alles ad-hoc-Lyrik sein soll, auf Abruf frei improvisierte Ephemerismen, denen kein Nachleben beschieden sein soll. Aber auch dieses Spiel mit der Nichtigkeit ist gewollte Entgrenzung, ist Aufhebung seiner selbst. Man möchte mehr, sich verlieren, aufgehen in dieser märchenhaften Welt sprachlicher Riesen. Wie profan, wie niedrig ist dagegen der Gefährtin Drängen, dass ich am Bildschirm nicht länger möchte hängen.
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