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Von Gnomen und Menschen

Ausgewählte Schanzenblicke: Auf einen Streifzug ins Viertel begaben sich  ■ Gesa Herbst (Fotos) und Birgit Wärnke

Gesa Herbst (Fotos) und Birgit Wärnke

In den Morgen mit einem frischgepressten Apfel-Möhren-Saft starten oder am Nachmittag bei einem „Cafe au lait“ und selbstgebackenen Muffins auf der Fensterbank sitzen und vorübereilende Leute beobachten, viele nutzen das Angebot der „Presse“. Das „Saft- und Weinkontor“ eröffnete vor neun Monaten in der Susannenstraße. Auf den Tafeln stehen mit Kreide die von Jimmy zubereiteten orientalischen Vorspeisen.

Der Lolli-Mann hat seit einer Woche ein neues Zuhause in der Rosenhofstraße. Der beste Freund von Lolli-Mann ist der comiclesende Gnom, und beide sind Mitglieder der „Kobald Company-Koldiges“. Des Nachts, wenn der gemeine Bürger schläft, fertigen sie mit Arne Jonas Wohn- und Schmuckdekorationen an. Am Tage verkauft der 37-jährige Jonas nicht nur die nachts angefertigten Schmuck-, sondern auch begehrte Sammlerstücke: alte Kinostühle, antike Fotokameras, Platten, Blechspielzeug und Rasiermesser.

Die rosafarbene Wand zieren Kuhschädel, schlichte Bürostühle tragen farbige Hüllen und mitten im Raum baumelt ein blauer Tisch von der Decke. In Holland sind derart gestaltete Frisörläden keine Ausnahme, in der Schanzenstraße ist „Kinki“ der bundesweit erste. Jens Kruse eröffnete vor zehn Monaten und schneidet seitdem „Steinzeitpunks“, aber auch dem Nachbarn von nebenan die Haare.

Ein Club ist „Toni Bico“ nicht, Musik gibts trotzdem, solange Braima Sori-Ba an den Plattentellern steht und Jazz, Funk oder Hippierock auflegt. Ungestresst lässt sich an der Schanzenstraße nach Klamotten aus den 20er bis 70er Jahren fahnden; müßig kann man Mitmenschen zusehen, wie sie sich mit riesigen Sonnenbrillen schmücken oder auf Schuhen stöckeln, die ihren modischen Höhepunkt schon vor Jahren erreicht hatten.

„Vollmund“, so heißt die ökologische Stadtteilküche in der Fettstraße. Zu Recht: Der Kleinbetrieb kocht für Kindergärten und Schulen in der Umgebung, und, ob vegetarisch oder nicht, ob Spinatmaultaschen, Kircherbsenrösti oder Kartoffel-Möhren-Huhn-Auflauf, vollwertig ist das Mittagessen auf jeden Fall. Die Vollmund-Crew bezieht Fleisch, Eier, Gemüse und Obst vom Biohändler; für Kinder, die sich eingeschränkt ernähren müssen, bereitet eine Diätköchin ein spezielles Essen zu. Rundum ökologisch ist auch die Verwendung vom Mehrweggeschirr.

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