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Dänen gegen US-Raketenabwehr

Die USA brauchen den Stützpunkt Thule in Nordgrönland für ihre Raketenabwehrpläne. Alle dänischen Parteien sind dagegen. Jetzt gerät die sozialdemokratische Regierung unter Druck von innen – und von den anderen Nato-Partnern in Europa

von REINHARD WOLFF

Das Nato-Land Dänemark hat eine Schlüsselposition bei der Verwirklichung der Pläne der USA zum Bau des NMD-Antiraketensystems. US-Verteidigungsminister William Cohen hat bereits vor einigen Wochen klargemacht, dass man für NMD unbedingt die Radaranlagen auf der großen Basis von Thule in Nordgrönland brauche. Das ließ nicht nur VertreterInnen der grönländischen Selbstverwaltung in die Luft gehen, denen die Basis ein Dorn im Auge ist, sondern auch die Regierung im dänischen Mutterland.

Letztere allerdings gab sich offiziell diplomatisch gedämpft: Washington habe bislang keinen Beschluss zum NMD gefasst, so Dänemarks Außenminister Niels Helveg Petersen am Donnerstag letzter Woche: „Vorher werden wir uns nicht äußern.“

Bei einer Debatte zum Thema NMD im dänischen Parlament Ende Februar dieses Jahres war allerdings klar geworden, dass alle Parteien die US-Pläne ablehnen. Und die Regierung hatte damals auch deutlich gemacht, dass die Thule-Basis im Rahmen des NMD auf jeden Fall nur verwendet werden dürfe, wenn dies keinen Verstoß gegen das ABM-Abkommen von 1972 darstelle.

Die Frage ist aber, was solcherlei Erklärungen wert sind. In der Vergangenheit hatten die USA in Thule trotz aller Dementis aus Washington und Kopenhagen seit den 50er-Jahren Atomwaffen stationiert – und das, wie sich im vergangenen Jahr anhand von Dokumenten nachweisen ließ, mit Wissen und Duldung der dänischen Regierung.

Damit so etwas nicht wieder passiert, wurde vor einigen Wochen die Antiraketenbewegung der dänischen SozialdemokratInnen aus den 70er-Jahren, die SAM, zu neuem Leben erweckt – ein Anpfiff an die Adresse der sozialdemokratisch geführten Regierung. Die ist jetzt ganz unerwartet auch von außen unter Druck geraten: Auch die europäischen Nato-Partner wünschen sich mehr Rückgrat von Dänemark. In Interviews mit der konservativen Kopenhagener Tageszeitung Berlingske Tidende forderten sowohl Gert Weißkirchen, der außenpolitische Sprecher der SPD, als auch David Andersson, Labour-Politiker und Vorsitzender des außenpolitischen Unterhausausschusses, ein deutliches und konzertiertes Handeln der europäischen Nato- Länder gegen die Raketenpläne der USA. Vor allem Weißkirchen appelliert direkt an Kopenhagen und weist auf die dänische Trumpfkarte Thule hin: „Dänemark muss alle zugänglichen Kanäle in seinen Verbindungen zu den USA benutzen, um für Washington klarzumachen, dass das NMD den Beziehungen zwischen den USA und Europa schadet.“ David Andersson spricht gar von einem drohenden Auseinanderbrechen der Nato.

Dänische Medien nahmen diese Stellungnahmen am Wochenende zum Anlass, die Regierung zu einer Stellungnahme zu drängen: Ansonsten laufe man Gefahr, sich innerhalb der europäischen Nato-Länder vollständig zu isolieren.

Dänemark ist nicht das einzige europäische Nato-Land, dessen Territorium in die NMD-Pläne direkt miteinbezogen würde. Nach Dokumenten aus dem Pentagon, die in den vergangenen Wochen von norwegischen Medien, insbesondere der liberalen Tageszeitung Bergens Tidende referiert wurden, geht auch die im äußersten Nordostnorwegen liegende Radarstation von Vardö, wo die USA schon bislang offiziell ein System zur „Satelliten-Kommunikation“ betreiben, in die NMD-Planungen ein: Es gebe fertige Ausbaupläne, Vardö in das NMD einzubeziehen, da man neben Stationen in Alaska, im grönländischen Thule und möglicherweise in Flyingdale im nordenglischen Yorkshire das nordeuropäische Vardö benötige, um die gesamte Nordhalbkugel radartechnisch vollständig abdecken zu können. Moskau hatte daraufhin Norwegen offiziell mit „dramatisch verschlechterten Beziehungen“ gedroht, sollte das Land den Standort zur Verfügung stellen.

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