: Abtreibungspille droht das Aus
Streit um Ärztehonorare für medikamentösen Schwangerschaftsabbruch: Vertreiberfirma will Lizenz für Abtreibungspille zurückgeben. Länder drohen, Pauschalen notfalls im Alleingang zu erhöhen. Doch Kassen und Ärztevertreter bleiben hart
von NICOLE MASCHLER
Neun Monate nach ihrer Zulassung ist die Zukunft der Abtreibungspille Mifegyne ungewiss. Mitte der Woche hatten Berlins Gynäkologen angekündigt, medikamentöse Schwangerschaftsabbrüche nur noch vorzunehmen, wenn die Frauen die Kosten selbst übernehmen. Nun will auch die deutsche Vertreiberfirma Femagen ihre Lizenz an den französischen Patentinhaber zurückgeben. Der Grund: Die Pille rechnet sich nicht.
Der für die Arzthonorare zuständige Bewertungsausschuss steht nun unter doppeltem Druck. Schon drohen die Länder, die in 75 Prozent der Fälle die Kosten übernehmen, aus der bisher einheitlichen Regelung auszuscheren. „Wir prüfen eine Übergangslösung“, so eine Sprecherin der Berliner Gesundheitsverwaltung. Zuvor hatte Schleswig-Holstein die Kostenfrage im Alleingang geregelt.
Für den Pillenabbruch veranschlagt der Bewertungsausschuss aus Krankenkassen und Kassenärztlicher Bundesvereinigung (KBV) rund 300 Mark. Darin enthalten sind aber bereits 160 Mark für Mifegyne. Für einen operativen Eingriff erhalten Ärzte bis zu 700 Mark. Zwar will der Ausschuss das Rechenmodell auf der nächsten Sitzung am 29. August noch einmal überprüfen. Doch für KBV-Vorstand Jürgen Bausch steht fest: „Wesentliche Änderungen wird es nicht geben“. Der Schulterschluss der Länder mit den Ärzten überrascht nicht, denn die ungleiche Bewertung trifft auch sie. Der Pillenabbruch kommt für sie günstiger als die Abtreibung unter Vollnarkose. Bereits Ende Juni hatten sich die Gesundheitsminister der Länder daher an den Ausschuss gewandt und von ihm eine Neubewertung verlangt.
„Eine konzertierte Aktion“ wittert KBV-Vertreter Bausch. Die Bewertung werde auf Grund des Betreuungsaufwands vorgenommen. Der sei bei einem medikamentösen Abbruch geringer als bei einer Operation. Falsch, entgegnen die Ärzte – und verweisen auf vorgeschriebene technische Ausstattung.
Tatsächlich kämpft der Bewertungsausschuss auf zwei Schlachtfeldern. Er will das vom Gesundheitsministerium vorgegebene Budget für Arzthonorare aufweichen. „Wir haben eine echte Mangelverwaltung“, klagt KBV-Vertreter Bausch. Schon wird der Ruf nach einer politischen Lösung lauter. Doch Gesundheitsministerin Andrea Fischer (Bündnis 90/Die Grünen) sah bisher keinen Handlungsbedarf. Für Ende September ist zwar ein Spitzengespräch anberaumt. Ein Machtwort von oben wird es aber wohl nicht geben. „Das wäre ein Eingriff in die Selbstverwaltung“, so eine Ministeriumssprecherin.
Von mangelndem politischen Willen wollen Bewertungsausschuss und Ministerium nichts wissen. „Den Willen haben wir schon damit dokumentiert, dass wir Mifegyne zugelassen haben.“
Pro-Familia-Vertreter Joachim von Baross ist skeptisch: „Sollte der Ausschuss stur bleiben, wird der Abbruch mit Mifegyne in Deutschland künftig nur noch schwer möglich sein.“ Der Import aus Frankreich, wie ihn die Vertreiberfirma Femagen vorschlägt, wäre ohne Subventionen kaum machbar.
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