piwik no script img

Der Polizeipräsident ist nur ein Spiegel seiner Behörde

Polizeipräsident Hagen Saberschinsky verharmlost Rassismus in den Reihen seiner Mitarbeiter. PDS und Grüne fordern nun einen unabhängigen Polizeibeaufragten, der Vorwürfen nachgehen soll

von DOROTHEE WINDEN

Darf einem Berliner Polizisten schon mal das Wort „Kanake“ rausrutschen? Ja, meint Hagen Saberschinsky und hat dafür auch eine Entschuldigung parat: „Wer unter solchen Stressbedingungen arbeitet, dem kann dann schon mal ein falsches Wort rausrutschen. Das hat dann überhaupt nichts mit Rassismus zu tun.“ Schon bei einem Privatmann wäre diese Einschätzung höchst problematisch. Nun ist Hagen Saberschinsky aber kein Privatmann, sondern der Polizeipräsident von Berlin.

Rassismus und rechte Einstellungen in der Bevölkerung sind derzeit das beherrschende Thema. Kaum einer, der sich nicht berufen fühlt, gegen rassistische Strömungen mobil zu machen. Außer Hagen Saberschinsky. Jener sieht offenbar seine Hauptaufgabe darin, sich vor seine Männer und Frauen in Grün zu stellen – auch wenn es um Rassismus in den eigenen Reihen geht.

Bei der Berliner Zeitung hatte sich vorige Woche ein Polizist gemeldet und von mehreren rassistischen Vorkommnissen aus dem Polizeialltag berichtet: Bei der Aufnahme eines Verkehrsunfalls habe ein Kollege gefragt: „Wie waren noch mal die Daten des Kanaken?“ Außerdem würden bei nächtlichen Streifenfahrten vorzugsweise ausländische Fahrer kontrolliert. Saberschinsky, dazu befragt, wusste nur zu berichten, dass die Vorwürfe haltlos seien. Er sieht hier einzelne „schwarze Schafe“ am Werk. Mehr nicht.

Bei der Opposition stoßen Saberschinskys Äußerungen auf deutliche Kritik. Der PDS-Abgeordnete Steffen Zillich warf dem ihm vor, er verharmlose die Lage und übe sich in „offensivem Weggucken“. Saberschinsky schaffe damit kein Klima der offenen Auseinandersetzung innerhalb der Polizei. Wer behaupte, es handle sich um Auswüchse von Stresssituationen, signalisiere, dass alles in Ordnung sei. Den Polizisten könne nur „rausrutschen“, was zu ihrem üblichen Sprachschatz gehöre.

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Wolfgang Wieland, kritisierte: „Es hat nie das Bestreben gegeben, dass die Polizei clean wird von Rassismus.“ Saberschinsky habe „keine gezielte Strategie“. Die Anfang der 90er-Jahre noch unter CDU-Innensenator Dieter Heckelmann initiierten Kurse für Polizeischüler reichten nicht aus. „Die Vorstellung, dass damit das Problem gelöst ist, ist falsch“, sagte Wieland.

Ohnehin erreichen die Kurse nur ein Drittel der Auszubildenden. Ein viertägiges Pilotprojekt „interkulturelles Training“ an der Landespolizeischule lief im Oktober 1999 aus – mangels Geld. Wieland fordert ein systematischeres Vorgehen gegen Ausländerfeindlichkeit bei Polizisten. Grüne und PDS wollen einen Polizeibeauftragten, der als unabhängige Beschwerdestelle fungieren solle.

Wieland forderte außerdem, die Polizei müsse selbst multikultureller werden. Im Interview hatte Saberschinsky erklärt, der gemeinsame Einsatz deutscher und nicht deutscher Polizisten könne dazu beitragen, ausländerfeindliches Verhalten abzubauen. Im nächsten Atemzug hatte der Polizeichef beklagt, es sei schwierig, geeignete „fremdstämmige“ Auszubildende zu finden. Wieland kritisierte: „Saberschinsky kapituliert vor diesen Schwierigkeiten.“ Unter dem Dutzend Polizeischüler ausländischer Herkunft gebe es eine hohe Abbrecherquote. Viele scheiterten an mangelnden Rechtschreibkenntnissen. Da könne mit einer speziellen Förderung gegengesteuert werden. Wieland hält Saberschinsky für „überfordert“. „Das, was zu tun wäre, sprengt seinen Horizont.“

Doch offenbar spiegeln Saberschinskys Äußerungen die Stimmungslage in der Polizei. Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, schloss sich Saberschinskys Äußerungen gestern „weitestgehend an“. „Bei dem, was den Kollegen an Beleidigungen geboten wird, ist es logisch, dass solche Worte fallen.“ Schönberg räumte zwar ein, dass die Beamten da eigentlich „drüberstehen“ müssten, aber das sei nicht immer möglich. „Kanake“ ist nach Schönbergs Ansicht keine rassistische Äußerung, sondern eine Beleidigung. Als rassistisch sei eine Beschimpfung wie „du blöder Türke“ zu werten, „also wenn die Nationalität angesprochen wird“. Auf Nachfrage, ob „Kanake“ nicht doch ein stark abwertender und mithin rassistischer Begriff sei, meinte er: „Darüber streiten die Gelehrten.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen