piwik no script img

■ KopfnotenDaimler-kompatibel?

Die Bildungsbehörde ist vorsichtig geworden. Sie fällt nicht gleich mit der berühmten Tür ins Haus, obwohl es so leicht wäre. Niedersachsen und Brandenburg haben die Kopfnoten gerade eingeführt, Sachsen und Baden-Württemberg sind schon länger dabei, dennoch gönnt sich Bremen eine eigene zweijährige Testphase.

Zunächst sollen verschiedene Beurteilungskategorien, so Walter Henschen vom Senator für Bildung, „sorgsam“ an 30 Schulen in Bremen und Bremerhaven ausgewählt und in unterschiedlichen Verfahren getestet werden. Acht Schulen sind schon jetzt auf freiwilliger Basis und mit eigenem Ansatz dabei.

Markus Petzold, Nico Behling, Jule Dossin und Lena Wolf gehen im Oberneulander „Schulzentrum Rockwinkel“ in die Gy-Klasse. Erstmals haben sie und ihre MitschülerInnen im Juli die Beurteilung ihres Arbeits- und Sozialverhaltens, also ihrer Zuverlässigkeit, Leistungs- und Verantwortungsbereitschaft, Selbstständigkeit, Teamfähigkeit und ihrer Umgangsformen im Zeugnis stehen gehabt. „Übertrifft die Erwartungen“, „erfüllt die Anforderungen“ oder „erfüllt sie nicht“, lautete die Bewertung.

Grundsätzlich in Ordnung findet Schülersprecherin Lena Wolf die neue Bewertung, dennoch hat sie auch Zweifel, ob sich Verhalten so einfach beurteilen lässt. Jule Dossin ist gegen Kopfnoten. Sie glaubt, „dass es letztlich noch die gleichen, alten Kategorien wie Ordnung und Fleiß sind, die bewertet werden – nur anders formuliert.“

Warum das uralte Verfahren in neuem Gewand wieder aus der Versenkung emporsteigt, erklärt Walter Henschen mit den Anforderungen der Wirtschaft. Hier werde gesagt, dass die Jugendlichen nicht nur lesen, schreiben und rechnen können müssen, sondern auch Teamfähigkeit, Ausdauer, Leistungsbereitschaft und Kommunikationsfähigkeit besitzen sollten.

Die beiden Gymnasiasten Nico Behling und Jule Dossin befürchten, dass die Bewertung sich negativ auswirken könne. Um bei den LehrerInnen gut anzukommen, würden die SchülerInnen vielleicht damit beginnen, sich gegenseitig auszuspielen, sagen sie.

Über zwei Jahre haben Eltern und Lehrer am Schulzentrum Rockwinkel den Schulversuch „Ausbildungsorientierung“ entwickelt. Grund war nicht die Kritik der Wirtschaft – auch in der Schule kam es zunehmend zu Problemen, sagt Kontaktlehrer Thomas Watkinson. Der Wunsch nach Kopfnoten ist seiner Meinung nach ein Hilfeschrei der Lehrer, ein Hilfsmittel, mit dem extremes Fehlverhalten mit Konsequenzen benannt werden könne. Die gewährten Freiheiten an den Schulen gingen zu weit.

Beate Hinkel

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen